Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
den Gentleman schon eine ganze Weile. Am besten nimmst du mit ihnen Kontakt auf und findest heraus, ob ihr euch zusammentun könnt. Wer weiß, vielleicht springt dabei eine Reise nach Portugal für dich heraus«, fügte er augenzwinkernd hinzu. »Nun zurück zu Svana Geirs. Wir brauchen Fortschritte. Die Zeitungen stürzen sich auf den Fall, und wir können auf schlechte Presse gut verzichten. Das gibt man uns jedenfalls von oben zu verstehen.«
»Und du gibst es an mich weiter? Ich hab’s verstanden. Gib mir ein oder zwei Tage, dann wird sich hoffentlich etwas bewegen. Aber ich stehe praktisch wieder am Anfang.«
Ívar Laxdal nickte bedächtig. »Ein paar Tage, Gunnhildur. Erstatte mir Bericht, wenn du auf eine Spur stößt, in Ordnung?« Er stand auf und nahm die beiden leeren Tassen vom Tisch. »Bis morgen um neun, und grüß Unnsteinn bitte von mir, ja?«, fügte er hinzu und spazierte aus der Kantine.
***
Sigrún brach über den Resten des Essens zum zweiten Mal in Tränen aus. Steini hatte die Schweinesteaks langsam geschmort, bis sie zart waren, zusammen mit Tomaten, Zwiebeln und ein paar Kräutern, deren Namen er ihnen nicht verraten wollte.
»Es tut mir leid«, schniefte Sigrún.
Gunna und Steini wechselten einen hilflosen Blick, während Laufey den lachenden Jens mit püriertem Essen fütterte. Sigrún schaute zu Jens hinüber, der in dem Hochstuhl, aus dem er schon fast herausgewachsen war, glucksend lachte und vor sich hin brabbelte. Sie tupfte sich mit einem Papiertaschentuch die Augen.
»Er sieht seinem Vater so ähnlich«, sagte sie kläglich. »Diesem Mistkerl.«
»Hast du etwas von Jörundur gehört?«, fragte Gunna. Steini blickte finster, als er aufstand, um den Tisch abzuräumen. Gunna gab Laufey ein Zeichen, ihm zu helfen, aber die tat so, als hätte sie es nicht mitbekommen.
»Nein. Er ist an diesem Ort in der Nähe von Trondheim. Seine Schwester hat heute angerufen, um sich nach seiner Kleidung zu erkundigen. Sie hat erzählt, dass diese Schlampe, die er mitgenommen hat, auch keine Schwierigkeiten hatte, einen Job zu finden. Ist es denn zu glauben, ich weiß nicht einmal, wie die blöde Kuh heißt.«
»Ich dachte, seine Schwester holt den Kram ab?«
»Dachte ich auch, und wenn sie es nicht tut, kann sie das Zeug aus dem Müllcontainer angeln.« Sigrún schenkte sich Wein nach. »Jörundur will das Haus verkaufen«, platzte sie heraus. »Aber da hat er sich geschnitten!«
»Ist es derzeit überhaupt noch etwas wert?«, fragte Gunna. »Ich habe es nicht einmal übers Herz gebracht, im Immobilienteil nachzusehen, was dieses Haus hier wert sein könnte, aber vermutlich ist es nicht viel. Euer Haus dagegen ist ziemlich groß, da sollte es anders aussehen, oder?«
»Ja. Aber wir sind hier in Hvalvík, nicht in Reykjavík. Jörundur konnte noch nie mit Zahlen umgehen, er versteht nicht, dass wir vielleicht nicht einmal genug für das Haus bekommen würden, um den Kredit zurückzuzahlen. Wenn wir verkaufen würden, bliebe jedenfalls nichts übrig, und Jens und ich wüssten nicht, wo wir wohnen sollten. Aber daran denkt er überhaupt nicht.«
Es war schmerzlich, miterleben zu müssen, wie Sigrún sich veränderte und immer bitterer wurde, seit Jörundur sie so plötzlich verlassen hatte. Gunna und Sigrún kannten sich, seit Gunna nach Hvalvík gezogen war, um das kleine Polizeirevier zu übernehmen. Laufey war noch ein Kleinkind gewesen, während Gísli schon im Schulalter war. Gunna hatte schnell festgestellt, dass ihre persönliche Lebensgeschichte bereits allseits bekannt war und lebhaft diskutiert wurde.
Ihr Blick fiel auf das beruhigende Foto von Ragnar Sæmundsson, auf dem er seine Uniform trug mit dem lässig aufgesetzten Käppi. Er lächelte spitzbübisch vom obersten Regalbrett auf sie herunter.
Gunna schüttelte die auftauchenden Erinnerungen von sich ab, um nicht ins Grübeln zu verfallen. Sie empfand echtes Mitleid mit Sigrún, deren aufkeimende Romanze mit Jörundur sie von Anfang an miterlebt hatte. Sigrúns Sehnsucht nach einem Kind gipfelte in der schwierigen Geburt von Jens Jörundsson vor knapp drei Jahren. Gunna hatte geahnt, dass Jörundur irgendwann fremdgehen würde. Die Hand, die sie eines Abends im dunklen Hausflur auf ihrem Gesäß gespürt und sofort weggeschoben hatte, bestätigte ihre Ahnung. Hilflos hatte sie miterlebt, wie Sigrún ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit auf Jens richtete, während Jörundur sich zunehmend woanders beschäftigte.
»Ach Rúna,
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