Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
war?«
»Ingi Lár hat mir alles erzählt«, antwortete Jón hitzig. »Ich kenne Ingi, er würde mich nicht anlügen. Ihn hat es auch übel erwischt, den armen Kerl. Seine Firma ist ebenfalls pleitegegangen, weil Bjartmars Firma Konkurs angemeldet hat. Weil Ingis Rechnungen nicht bezahlt wurden, konnte er mich nicht bezahlen, obwohl er für uns getan hat, was er konnte.«
Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ingi ist ebenfalls erledigt. Er ist sechzig und hat keinen roten Heller mehr. Er erledigt jetzt Arbeiten für Leute, die einst für ihn gearbeitet haben. Toll, was?«
Er lehnte sich zurück und machte ein finsteres Gesicht.
»Wer ist Elín Harpa?«, fragte Helgi.
Jón zuckte mit den Schultern. »Eine Frau, für die ich einen Job erledigt habe. Ich glaube, ich habe mein Handy bei ihr vergessen. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, es zu holen, weil ich dachte, im Gefängnis brauche ich es ohnehin nicht.«
»Wo wohnt sie?«
»Irgendwo in der Nähe der Hringbraut«, antwortete Jón.
»Wo genau?«
»Ich erinnere mich nicht mehr.«
»Was hatte sie mit deinen Plänen zu tun?«
»Nichts, gar nichts«, sagte Jón lebhaft. »Ich bekam einen Anruf und sollte einen Wasserhahn in der Küche auswechseln. Das habe ich getan, für fünftausend, das ist alles. Vielleicht habe ich mein Handy dort liegen lassen. Oder ich habe es irgendwo verloren.«
»Wo wohnt sie, Jón?«
»Wie ich schon gesagt habe, in einer der Nebenstraßen der Hringbraut. Genau weiß ich es nicht mehr.«
»Okay. Wir werden sie schon finden, auch wenn du es uns nicht sagst.«
***
Das Haus am Álfólsvegur lag näher an der Straße als die Nachbarhäuser. Gunna sah Menschen im Haus, als sie anhielt und den Motor abstellte. Die Autos fuhren so schnell, wie die Fahrbahnschwellen es zuließen.
»Ich suche Högni Sigurgeirsson«, sagte Gunna zu der kleinen, runzeligen Frau, die an die Tür kam. »Ist er da?«
Die Frau antwortete nicht, sondern trat zur Seite, damit Gunna eintreten konnte. Sie stieß einen Schrei aus, der erstaunlich laut war für so eine winzige Person.
»Högni! Hier ist jemand für dich, Junge!«
Gunna machte die Haustür zu und folgte der Frau in die Küche. Dort saß ein älterer Mann an einem Tisch und blätterte im Morgunbladid . Er zog an einer Zigarette, die Gunna bereits am Geruch erkannt hatte, bevor sie den überquellenden Aschenbecher neben dem Ellbogen des Mannes sah. Es war eine filterlose Camel.
Er nickte Gunna zu und widmete sich dann wieder seiner Zeitung. Die Frau öffnete eine andere Tür und rief nach Högni, ohne eine Antwort zu erhalten. Kalte Luft strömte herein. Eine Tür im Wohnzimmer, die in den Garten führte, stand offen und zeigte, wohin Högni verschwunden war.
»Das verstehe ich nicht. Er war eben noch hier«, brummte sie. »Láki! Wo ist Högni hingegangen?«, rief sie dem Mann am Küchentisch zu.
»Keine Ahnung«, antwortete der mit rasselnder Stimme.
»Wer bist du überhaupt?«, fragte die Frau schließlich und sah zu Gunna auf. »Ich hätte gedacht, Högnis Freundinnen wären ein bisschen jünger.«
»Ich bin von der Polizei«, antwortete Gunna steif. »Er hat uns diese Adresse hier genannt, darf ich also fragen, wer ihr seid?«
»Es tut mir leid, meine Liebe. Ich bin die Tante seiner Mutter. Das mit der armen Svanhildur ist schrecklich. Der Junge ist völlig durcheinander. Möchtest du eine Tasse Kaffee?« Sie ging mit unsicheren Schritten in die Küche und griff nach einer Tasse, ohne eine Antwort abzuwarten. »Setz dich doch.«
»Habt ihr herausgefunden, wer es getan hat?«, knurrte der Mann. »Sie war ein reizendes Mädchen, unsere Svana. Es ist eine Schande, was heutzutage alles passiert. Und was tut die Polizei? Nichts«, fuhr er fort und hatte Gunnas Anwesenheit schon wieder vergessen.
Die alte Frau schenkte Kaffee ein, der so schwarz wie Teer war. Gunna nahm zögernd einen Schluck, stellte jedoch fest, dass der Kaffee hervorragend war.
»Wie geht es Högni?«, fragte sie.
»Naja. Er nimmt es sehr schwer, der arme Kerl.«
»Ist er viel hier?«
»Nein, wir sehen ihn kaum, aber wir stehen auch früh auf und gehen früh zu Bett – nicht wie ihr jungen Leute.«
»Weißt du, ob er arbeitet?«
»Er kann nicht viel arbeiten, nicht mehr, seit er den Unfall hatte. Er arbeitet nur wenige Stunden. Vor einem Jahr hat er sich das Bein gebrochen.«
»Vor zwei Jahren«, berichtigte der alte Mann.
»Vor zwei Jahren. Mein Gott, wie die Zeit verfliegt. Ja, sein schlimmes Bein
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