Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
Vereinbarung gehalten?«
Bjarki Steinsson schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Wir haben nicht darüber gesprochen. Möglicherweise nicht.«
Helgi war mit der Antwort anscheinend zufrieden, und Gunna hatte das Gefühl, dass der Mann sich geschlagen gegeben hatte.
»Nun«, fuhr Helgi fort, »wann hast du Svanhildur Mjöll das letzte Mal gesehen?«
»Am Donnerstag«, flüsterte er. »Vormittags.«
***
Diddi saß zusammengesunken zwischen seiner Anwältin, einer fülligen jungen Frau mit einem freundlichen Gesicht, und einem Sozialarbeiter in Jeansjacke.
»Alles in Ordnung, Diddi? Wie geht’s dir?«, fragte Gunna und setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber.
»Ich bin okay«, antwortete Diddi. Auf seinem runden Gesicht lag ein verwirrter Ausdruck.
»Du weißt, dass wir alles aufzeichnen und dass alles, was du sagst, vor Gericht als Beweismittel verwendet werden kann?«
»Ich möchte etwas klarstellen«, begann die füllige Frau. »Ich möchte darauf hinweisen, dass mein Mandant schon seit Langem an einer geistigen Erkrankung leidet.«
»Ich kenne Diddi schon sehr lange.« Gunna lächelte. »Stimmt’s, Diddi?«
»Ja, Gunna.«
»Also, fürs Protokoll: Du heißt Kristbjörn Hrafnsson, bist vierunddreißig Jahre alt und bekommst eine Arbeitsunfähigkeitsrente. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Gut. Nun, Diddi, kannst du mir erzählen, was mit deinem Gesicht passiert ist?«
Die Anwältin runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
»Ich bin hingefallen«, antwortete Diddi schließlich.
»Wenn du das sagst. Aber wie hast du es geschafft, gleichzeitig auf beide Seiten des Gesichts zu fallen?«
»Ist das von Bedeutung?«, warf die Anwältin ein.
»Wenn es nicht von Bedeutung wäre, würde ich nicht danach fragen«, entgegnete Gunna und bedachte sie mit einem finsteren Blick. »Also, Diddi. Dein Dad hat dich am späten Montagabend aufs Revier gebracht. Am Montagvormittag wurde die Filiale der Kaupthing Bank in Grafarvogur von einem Mann mit einem Messer ausgeraubt. Das bist du gewesen, nicht wahr, Diddi?«
»Ja.«
»Okay. Ich wollte nur, dass du es selbst bestätigst, denn es besteht kein Zweifel daran, dass du der Täter bist. Verstehst du das?«
»Ja«, antwortete Diddi. Er war offensichtlich den Tränen nahe.
»Was ich eigentlich wissen will, ist, wohin du nach dem Überfall gegangen bist. Wie bist du in die Stadt gekommen? Du hast keinen Führerschein, und du hast doch sicher nicht den Bus genommen, oder?«
Diddi schwieg und starrte zu Boden. Gunna fühlte sich an Bjarki Steinsson erinnert, der am Nachmittag auf dieselbe Art schuldbewusst zu Boden geblickt hatte.
»Komm schon, Diddi. Du musst es mir sagen. Du wolltest mir doch die Wahrheit sagen, erinnerst du dich?«
»Ich habe versprochen, es nicht zu verraten.«
»Wem hast du versprochen, nichts zu verraten? War es der lange Ommi?«
»Nein!«, kreischte Diddi. »Nein. Ich habe den langen Ommi nicht gesehen. Es war nicht Ommi!«
»Diddi, wir kennen uns schon so lange. Erinnerst du dich, wie lange? Weißt du noch, wie ich dich aus dem Bushäuschen geschleppt habe, als diese Jungen deine Jacke in Brand gesteckt hatten? Erinnerst du dich daran?«
Diddi nickte.
»Und weißt du noch, als das Geld aus dem Kiosk auf der Sólgata gestohlen wurde? Du warst es nicht, stimmt’s? Aber diese Typen haben behauptet, du wärst es gewesen. Ich habe ihnen nicht geglaubt. Erinnerst du dich?«
Diddi nickte erneut, während die Anwältin die gezupften Augenbrauen hob und vorgab, zu verstehen, was hier vor sich ging. Der Sozialarbeiter warf einen Blick auf die Uhr.
»Diddi, mein Freund«, sagte Gunna sanft. »Findest du nicht, es ist an der Zeit, mir die Wahrheit zu erzählen?«
Diesmal verzerrte sich sein Gesicht, und Tränen rollten über seine Wange. Er heulte laut, als hätte er Schmerzen, und drehte sich mit flehendem Gesichtsausdruck zu dem Sozialarbeiter um. Gunna betrachtete Diddi gelassen, während das Heulen lauter wurde.
»Können wir aufhören? Bitte«, sagte der Sozialarbeiter. »Er quält sich ohnehin schon genug.«
Gunna nickte, ohne Diddi aus den Augen zu lassen. Er erwiderte ihren Blick trotz des gequälten Wehklagens.
»Die Befragung wird unterbrochen«, sagte Gunna scharf. Sofort wurde das Geschrei leiser. »Eiríkur, könntest du Diddi bitte ein Glas Wasser holen?«
»Kann ich dich kurz sprechen? Draußen bitte«, fragte die junge Anwältin.
Die Anwältin reichte Gunna nur knapp bis zur Schulter.
»Was tust du da?«, wollte sie wissen
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