Kaltes Blut
Zeitplan inzwischen.«
Sie liefen über das weitläufige Gelände bis zu einer Stelle nahe der Autobahn, wo sie ungestört waren.
»Also, was hat Emily gestern von dir gewollt?«, fragte Helena Malkow.
»Was wohl«, antwortete Sonja Kaufmann schulterzuckend, »das Gleiche wie von dir. Aber im Gegensatz zu dir hat sie meine volle Unterstützung.«
»Ich hätt’s mir denken müssen! Ich seid beide aus dem gleichen Holz geschnitzt. Liebe muss doch was Schönes sein!«
»Darum geht es nicht. Im Augenblick hab ich nämlich ein verdammt ungutes Gefühl. Wir müssen zumindest vorerst damit aufhören und auch die andern entsprechend instruieren …«
»Sag mal, spinnst du jetzt auch! So einfach geht das nicht. Ich hab Emily klar und deutlich gesagt, wir sitzen alle im selben Boot, also auch du. Wie willst du es denn den andern erklären? Willst du ihnen sagen: Ihr Lieben, im Augenblick läuft nichts? Vergiss es!«
»Helena, ich glaube, du bist dir der Tragweite des Ganzen nicht bewusst …«
»Ich bin mir dessen sogar sehr wohl bewusst. Und ich weiß auch, dass die Neue von den Bullen geschickt wurde. Vielleicht steckt sogar Emily selbst dahinter und spielt uns gegenüber nur die Ahnungslose. Aber wir werden die Bullen austricksen.«
Sonja Kaufmann sah Helena Malkow verärgert an. »Helena, du träumst! Jetzt komm runter von deiner Wolke und werd vernünftig!«, schimpfte sie. »Sollte sie tatsächlich eine Polizistin sein, dann tricksen die vielleicht auch nur, und in Wirklichkeit spioniert uns jemand ganz anderes aus. Hast du darüber schon mal nachgedacht? So blöd sind die Bullen nun auch wieder nicht.«
»Und was schlägst du vor?«
»Ruhe bewahren und so tun, als wäre nie etwas gewesen. Emily kann es sich nicht leisten zu reden, dafür steht für sie viel zu viel auf dem Spiel. Ein Wort von uns, und sie ist den Hof los, aber wirkönnen auch einpacken. Du darfst es auf keinen Fall mehr hier machen, nur noch in deiner Wohnung. Und frisches Fleisch bleibt vorläufig unangetastet, klar?!«, sagte Sonja Kaufmann mit Nachdruck. »Ich habe keine Lust, in den Knast zu gehen, denn ich habe auch einen Ruf zu verlieren. Wenn du aber eine masochistische Ader hast, dann lass Emily und mich da raus. Mach du von mir aus weiter wie bisher, wir haben damit nichts mehr zu tun. Und sollte es hart auf hart kommen, werden unsere Aussagen gegen deine stehen. Denk drüber nach.«
»Du willst mir drohen? Du, ausgerechnet du? Du bist eine verdammte Schlampe! Wer hat dich denn groß gemacht?! Wer hat denn der Welt erzählt, was für eine großartige Tierärztin du bist?! Ohne mich wärst du doch noch immer ein Nichts und würdest Hunden und Katzen die Flöhe aus dem Fell kratzen …«
»Ich habe dir nicht gedroht, Helena. Und noch was – du hast mich nicht groß gemacht, denn so groß bin ich gar nicht. Du hast mir lediglich ein paar Kunden zukommen lassen. Also bitte, spar dir deinen Größenwahn. Aber ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten, kapierst du das nicht?! Helena, es geht um uns alle«, sagte sie mit eindringlicher und scharfer Stimme. »Es geht nicht nur um dich und deine Bedürfnisse! Ich hab dich lieb, das weißt du. Und ich will dich vor Schaden bewahren. Was haben wir davon, wenn wir ins Gefängnis wandern? Meinst du, es geht uns dort besser? Noch ist das alles ein großes Geheimnis, und es kann auch eines bleiben, vorausgesetzt, du tust ab sofort, was ich dir sage. Nur noch in deiner Wohnung und nur noch mit auserwählten Personen. Und vor allem keine Minderjährigen mehr. Klar?«
Helena Malkow wiegte den Kopf hin und her und schlug sich ein paarmal mit der Reitgerte auf die rechte Handinnenfläche, so heftig, dass es Sonja Kaufmann körperlich wehtat. Aber Helena Malkow hatte eine sadistische Ader, die sie in letzter Zeit immer öfter zeigte, weshalb Sonja nicht mehr allzu gern mit ihr zu tun hatte. Bei ihrem letzten Liebesspiel kurz vor der Frankreichfahrt war sie übers Ziel hinausgeschossen, und Sonja hatte tagelang Unterleibsschmerzengehabt. Seit diesem Tag vermied sie jeglichen Körperkontakt mit Helena. Sie war seit jeher unbeherrscht, Sonja hatte sie schon so kennen gelernt, die damals verwöhnte, impulsive junge Frau aus reichem Haus, die sich nie mit Alltäglichem zufrieden gab. All dies konnte Sonja noch tolerieren. Doch mittlerweile waren auch noch Jähzorn, Starrköpfigkeit und eine ungewöhnliche Härte sich selbst und andern gegenüber dazugekommen, was Sonja immer mehr auf Distanz zu ihr
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