Kaltes Blut
schönen Tag noch.«
»Ihnen auch«, sagte Emily Gerber, die froh war, als sie hinter Durant die Tür zumachen konnte. Sie lehnte sich dagegen, ihrHerz pochte bis in die Schläfen. Sie ging zum Schrank und schenkte sich einen Cognac ein. Allmählich beruhigte sie sich. Sie griff zum Telefon, um ihren Mann anzurufen. Die Leitung war besetzt, wie so oft. Ich muss mit Sonja und Helena sprechen, dachte sie.
»Celeste, Pauline, kommt, zieht euch an, wir fahren auf den Hof. Ich muss dort kurz etwas erledigen.«
Dienstag, 12.10 Uhr
Und wie war’s?«, fragte Hellmer, der seine Zigarettenkippe aus dem Fenster schnippte.
»Weiß nicht. Sie war sehr aufgebracht, als ich sie auf das bestimmte Thema ansprach.«
»Wie aufgebracht?«
»Zu aufgebracht. Irgendwas stimmt da nicht. Entweder sie weiß etwas und will es nicht sagen, oder sie hat sogar selber was damit zu tun.«
»Die Gerber?«, fragte Hellmer ungläubig. »Die ist doch glücklich verheiratet.«
»Na und? Schon mal was von bi gehört? Sie hatte sich zwar unheimlich gut in der Gewalt, aber ich habe ihre Nervosität körperlich gespürt. Sie hat Angst, anders kann ich mir das nicht erklären. Fragt sich nur, wovor. Ich kann mich natürlich auch täuschen. Andererseits, so glücklich scheint die Ehe nun auch wieder nicht zu sein, sonst hätte Gerber wohl kaum was mit Selina angefangen. Und die haben doch beide zugegeben, dass es im vergangenen Jahr stark bei ihnen gekriselt hat. Moment mal«, Durant kniff die Augen zusammen, das Karussell in ihrem Kopf war wieder in Fahrt gekommen, »was, wenn die Krise dadurch ausgelöst wurde?«
»Julia«, ermahnte Hellmer sie, »du fängst schon wieder an, Hypothesen aufzustellen. In jeder Ehe gibt es früher oder später eine Krise. Das heißt aber noch längst nicht, dass …«
»Doch«, wurde er von Durant unterbrochen. »Weißt du noch, wie das war, als wir die beiden am Freitag befragt haben? Er hat eine Affäre mit Selina angefangen, weil er, wie die Gerber selbst sagt, ohne Wärme nicht leben kann. Er hat außerdem gesagt, es habe während des vergangenen Jahres keine Berührungen zwischen ihm und seiner Frau gegeben. Eine Frau wie Emily Gerber, jung und attraktiv und kein Sex?« Durant sah Hellmer von der Seite an, die Stirn in Falten gezogen. »Wer’s glaubt … Nehmen wir mal an, sie hat etwas anderes ausprobiert und Spaß daran gefunden und sich deshalb ihrem Mann entzogen. Und dann ist das mit Selina passiert, und sie ist plötzlich zur Besinnung gekommen. Vielleicht hat ihr eine innere Stimme zugeflüstert, dass der Mord etwas mit diesem Lesbenkram zu tun hat.«
»Kann sein, es bleibt trotzdem Spekulation, solange wir keine handfesten Beweise haben. Und sollte sie sich tatsächlich ein Jahr lang eine Auszeit von ihrem Mann genommen haben, dann ist sie womöglich in die Szene eingeführt worden, sie ist aber mit Sicherheit nicht die Drahtzieherin, das traue ich ihr einfach nicht zu.«
»Möglich. Aber sie könnte in Gefahr sein«, bemerkte Durant. »Ich muss noch mal kurz rein. Ich will es jetzt genau wissen.«
Sie stieg wieder aus und ging auf das Haus zu, als sich gerade das Garagentor öffnete und der BMW herausgefahren kam. Emily Gerber bremste, ließ das Fenster herunter und fragte: »Haben Sie etwas vergessen?«
»Mir ist doch noch einiges eingefallen, das ich gerne jetzt sofort geklärt haben würde. Es wäre in unser aller Interesse.«
»Wenn’s sein muss. Wir gehen durch die Garage ins Haus«, sagte Emily Gerber. Und an ihre Töchter gewandt: »Ihr könnt hier warten oder noch ein bisschen im Garten spielen. Ich sag euch Bescheid, wann wir losfahren.«
Sie gingen schweigend ins Haus. Julia Durant bemerkte die Alkoholfahne, als Emily Gerber dicht vor ihr das Wohnzimmer betrat. Sie setzte sich in den Sessel am Fenster, während Durant auf der Couch Platz nahm.
»Frau Gerber, es gibt einige Ungereimtheiten, auf die ich so schnell wie möglich Antworten haben möchte. Sie erinnern sich an unser Gespräch am Freitagabend?«
»So was vergisst man nicht so schnell.«
»In Ihrer Ehe hat es im vergangenen Jahr stark gekriselt. Was war der Auslöser dafür?«
»Was hat meine Ehe mit den Morden zu tun?«, fragte sie kühl und reserviert.
»Das will ich eben herausfinden. Ihr Mann hat gesagt, es habe keine körperlichen Berührungen zwischen Ihnen in dieser Zeit gegeben, erst an dem Tag wieder, an dem Selina als vermisst gemeldet wurde. Das ist ein eigenartiger Zufall, finden Sie nicht?«
»Es gibt keine
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