Kaltes Blut
sie alles andere als fröhlich. Doch das war der Besuch bei Emily Gerber auch nicht gewesen. Sie hatte einmal mehr in einen Abgrund blicken müssen, und obwohl sie all dies und Schlimmeres, viel, viel Schlimmeres aus jahrelanger Polizeiarbeit kannte, war es für sie immer wieder aufs Neue erschreckend und auch deprimierend. Und trotzdem tat ihr Emily Gerber irgendwie Leid. Die Art und Weise, wie sie über die Dinge berichtet hatte, die Ehrlichkeit, die Reue, das war nicht gespielt, sondern ernst gemeint.
Emily Gerber rief nach ihren Töchtern, zusammen gingen sie und Durant nach draußen. Noch in der Garage fragte Durant: »Sagt Ihnen der Name Kerstin Grumack etwas?«
Sie überlegte kurz und schüttelte den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste. Wer ist das?«
»Eine Fünfzehnjährige, die vor fünfeinhalb Jahren spurlos verschwunden ist. Ihr Vater hat eine Schreinerei in Okriftel.«
»Ach ja, doch, natürlich. Es war zu Weihnachten, nicht? Ja, ich erinnere mich. Ich hatte nur den Namen nicht mehr im Kopf. Wieso fragen Sie mich nach ihr?«
»Nur so. Und mein Versprechen gilt. Und sollten Sie etwas Neues erfahren, bitte benachrichtigen Sie mich umgehend. Und Sie können uns auch helfen, indem Sie Augen und Ohren offen halten. Der Mörder ist jemand, der auch Sie kennt, vergessen Sie das nicht. Tschüs dann.«
»Warten Sie noch. Ich war eben ehrlich zu Ihnen, ich möchte nur eines wissen – wir haben ein neues Mitglied, eine Frau Sörensen. Ist sie von der Polizei?«
Durant lächelte vielsagend. »Wenn Sie mich so fragen, wissen Sie’s doch längst. Aber behalten Sie’s für sich. Ich sage nichts undSie auch nicht. Eine Hand wäscht die andere. Und noch einmal, passen Sie auf sich auf.«
Emily Gerber sah Durant mit sorgenvoller Miene nach, bevor sie in ihr Auto stieg und losfuhr. Ein dumpfes Gefühl von Angst breitete sich in ihr aus.
Dienstag, 13.30 Uhr
Sag mal, unter kurz verstehe ich aber was anderes!«, murrte Hellmer ungehalten. »Ich dachte, das dauert vielleicht zehn Minuten oder eine Viertelstunde, und dann hock ich mir hier die Arschbacken wund und hätte genauso gut nach Hause fahren und was essen können!«
»Sorry, aber du hast doch ein Telefon. Und wenn du nicht hier gewesen wärst, hätte ich dich angerufen. Stell dich jetzt bloß nicht so an. Hast du was erreicht, ich meine, was den Baggersee angeht?«
»Ein Team ist schon unterwegs. Die wollen noch heute anfangen, den See abzusuchen. Ist ja zum Glück nicht besonders groß. Aber jetzt erzähl schon, was bei der Gerber war.«
»Es sind Lesben. Sie hat es zugegeben«, sagte Durant trocken und zündete sich eine Zigarette an.
»Ernsthaft? Die Gerber?«
»Sie nicht wirklich. Die hat nur mal dran geschnuppert und wohl auch eine Weile Gefallen dran gefunden, aber sie hat mir glaubhaft versichert, dass damit endgültig Schluss ist.«
»Und was ist mit den Mädchen?«
»Wir könnten die jetzt natürlich alle befragen, aber wir würden damit nur unnötig Staub aufwirbeln. Angeblich wurde keine zu etwas gezwungen, wenn eine nicht mitmachen wollte oder die Frauen das Gefühl hatten, bei der einen oder andern sollte man es besser lassen, dann hat man diejenige auch nicht behelligt.«
»Es ist trotzdem strafbar«, bemerkte Hellmer.
»Strafbar! Mein Gott, dann beugen wir in dem Fall das Gesetz eben ein wenig, das machen ganz andere Leute. Wenn ich sehe, wie ungeschoren gewisse korrupte Politiker selbst bei den obersten Richtern davonkommen …«
»Du kannst doch das eine nicht mit dem anderen vergleichen!«
»Doch, kann ich sehr wohl. Und ich nehme mir das Recht heraus, eine Entscheidung zu treffen, um nicht noch mehr Unheil anzurichten. Stell dir nur mal vor, die Eltern von den Mädchen kriegen raus, was im Reitclub abgeht. Die Gerber kann gleich dichtmachen und ihre Sachen packen und ganz weit wegziehen. Nee, sie war sehr offen und sehr ehrlich, und ich kann das beurteilen.«
»Okay, okay, ist zwar nicht legal, aber ich halt meine Klappe. Und außerdem, bisher wurde doch auch keine Anzeige erstattet, oder?«, meinte Hellmer grinsend.
»Wie schön, dass wir uns so gut verstehen. Wir müssen den Mädchen trotzdem sagen, dass sie in nächster Zeit mit keinem Mann allein weggehen dürfen. Am liebsten wäre mir, wenn sie ihre Zuhause für eine Weile gar nicht verlassen würden. Aus dem Grund möchte ich als Nächstes mit allen kurz sprechen, werde aber das besagte Thema nicht anschneiden. Gehen wir zu Nathalie?«
»Du bist der Boss«, sagte
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