Kaltes Blut
man sagen, jeder Balletttänzer oder Friseur wäre schwul. Auch Blödsinn. Haben Sie etwas gegen Schwule oder Lesben?«
»Nein, mir ist völlig egal, wie jemand gepolt ist. Weiß Ihr Mann davon?«
Zum ersten Mal seit über einer halben Stunde huschte so etwas wie ein Lächeln über ihre Lippen. »Wir haben gerade gestern Abend darüber gesprochen. Ich habe ihm alles erzählt, wirklich alles. Daraufhin hat er bei Herrn Hellmer angerufen, weil er glaubt, dass die Morde irgendwie damit zusammenhängen könnten.«
»Frau Kaufmann und Frau Malkow waren auch mit in Frankreich.Sie wollten zwar keine Namen nennen, aber ich brauche nur eins und eins zusammenzuzählen, um zu wissen, dass die beiden auch mitgemacht haben. Wer ist die treibende Kraft?«
»Was werden Sie tun, wenn ich es sage?«
»Gar nichts, solange kein Straftatbestand vorliegt. Es sei denn, die Mädchen wurden zu etwas gezwungen, was sie nicht wollten.«
»Keine wurde jemals zu irgendetwas gezwungen. Wenn wir das Gefühl hatten, dass eine von ihnen nicht dazu bereit war, haben wir die Finger von ihr gelassen. Das ist die Wahrheit.«
»Und wer ist nun die treibende Kraft?«
»Helena. Sie ist zwar lesbisch, doch sie ist auch Männern gegenüber nicht abgeneigt. Ich glaube aber nicht, dass ihr Mann etwas weiß. Die beiden führen eine glückliche Ehe, zumindest sieht er das so, und sie behauptet es auch.«
»Das verstehen Sie unter glücklich?«, sagte Julia Durant zweifelnd. »Ich verstehe unter einer glücklichen Ehe etwas völlig anderes, aber vielleicht bin ich auch nur altmodisch. Und Frau Kaufmann?«
»Sonja ist einfach nur lieb. Sie und mein Bruder verstehen sich blind. Sie schläft zwar auch gerne mit Frauen, aber sie wäre ohne Achim verloren. Sie braucht ihn wie die Luft zum Atmen und umgekehrt.«
»Hm. Sagen Sie, wie alt war denn das jüngste Mädchen?«
»Vierzehn. Helena hat gesagt, sie dürfen nicht jünger als vierzehn sein.«
»Und haben oder hatten Sie auch Beziehungen untereinander? Sie und Frau Malkow oder Sie und Frau Kaufmann?«
»Mit Helena habe ich nie etwas gehabt, sie ist mir zu dominant, zu männlich. Mit Sonja schon.«
»Haben Sie diese sexuellen Aktivitäten auch auf dem Hof durchgeführt?«
»Nein. Mein Gott, allein die Vorstellung! Ich weiß nicht, ob die andern es dort gemacht haben, ich bin schließlich nicht rundum die Uhr auf dem Hof, aber ich hätte viel zu viel Angst davor gehabt, erwischt zu werden. Helena hat ein Haus in Kelkheim extra für ihre Spiele. Dorthin haben wir uns manchmal zurückgezogen.«
»Aber Sie haben doch eben gesagt, Sie hätten nie etwas mit Frau Malkow gehabt.«
»Wir waren manchmal zu fünft oder zu sechst«, wich sie aus.
»Können Sie sich vorstellen, dass zum Beispiel Frau Malkow auf dem Hof …«
»Bei ihr kann ich mir alles vorstellen. Sie kennt da nichts. Aber wenn sie es auf dem Hof macht, dann mit erwachsenen Frauen.«
»Haben Sie mit allen Mädchen, die mit in Frankreich waren, geschlafen?«
»Es war kein ›Miteinander-Schlafen‹. Wir haben entweder unter der Dusche gestanden oder im Bett gelegen und uns geküsst und gestreichelt. Ich schwöre, es war harmlos, zumindest was mich anging. Sie können gerne Katrin oder Nathalie fragen, Sie werden es Ihnen bestätigen.«
»Oder auch nicht, weil sie sich schämen. Ich werde mir noch überlegen, ob ich sie frage. Ich muss Sie allerdings auffordern, sowohl Frau Kaufmann als auch Frau Malkow zu untersagen, weiterhin mit Minderjährigen sexuell zu verkehren. Wenn Sie es nicht tun, muss ich es leider tun. Aber diese Peinlichkeit wollen Sie doch sicher vermeiden. Sprechen Sie in Ruhe mit ihnen, machen Sie ihnen die Situation klar, und erzählen Sie ruhig von unserem Gespräch. Das zeigt garantiert Wirkung.«
»Ich werde es versuchen. Ich wollte übrigens gerade, als Sie noch einmal gekommen sind, auf den Hof fahren, um mit Sonja und Helena zu reden.«
»Dann will ich Sie auch nicht länger aufhalten. Und passen Sie gut auf sich auf, der Mörder läuft noch immer frei herum. Ich kann nur sagen, vertrauen Sie im Augenblick niemandem, nicht einmal Ihrem besten Freund. Sagen Sie das auch Frau Malkow und FrauKaufmann. Nathalie, Katrin und die andern beiden Mädchen werden von uns auch entsprechend instruiert.«
Julia Durant stand auf, streckte sich kurz und spürte auf einmal eine bleierne Müdigkeit in sich aufsteigen, und allein der Gedanke, auch in den nächsten Tagen, womöglich sogar Wochen nur wenig Schlaf zu bekommen, stimmte
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