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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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zugeteilt. Eine hochintelligente, analytisch denkende junge Frau, kaum einsfünfundsechzig groß, sehr schlank, doch durchtrainiert und überaus durchsetzungsfähig. Kurze blonde Haare, feine Gesichtszüge, zierliche Hände und keiner, der sie nicht kannte, hätte je vermutet, dass sie eine perfekte Nahkämpferin war und den schwarzen Gürtel in Karate besaß. Sie war im Mai achtundzwanzig geworden, hatte die Polizeischule als Jahrgangsbeste abgeschlossen und während der vergangenen vier Jahre in Köln bei der Sitte, der Drogenfahndung und schließlich der Mordkommission ihren Dienst versehen, bis es sie nach Frankfurt verschlug, aus fast den gleichen Gründen wie vor einigen Jahren Julia Durant. Ihr Lebensgefährte hatte sie immer wieder mit anderen Frauen betrogen, und als sie dahinter kam, bewarb sie sich einfach für die frei gewordeneStelle und zog in einer Nacht- und Nebelaktion nach Frankfurt, ohne ihren Freund davon in Kenntnis zu setzen. Julia Durant verstand sich blendend mit ihr, auch wenn Doris Seidel eher der rationale denn der intuitive Typ war, aber zwischen Kullmer und ihr stimmte die Chemie von Beginn an perfekt, und er war es schließlich auch, der darauf bestanden hatte, mit ihr zusammenzuarbeiten. Und seitdem war in ihm eine Wandlung vorgegangen, er war weniger impulsiv als früher, manchmal sogar richtig arbeitswütig, und keinem in der Abteilung entging, dass er mehr als nur ein Auge auf die Neue geworfen hatte und sie ihn ebenfalls gut leiden mochte.
    Berger schaute auf, als sich die Tür öffnete und Julia Durant hereinkam. Er hatte in den letzten zwölf Monaten noch einmal wenigstens fünfzehn Kilo abgespeckt, sein vor einem Jahr noch gewaltiger Bauch war merklich geschrumpft, genau wie sein Dreifachkinn, die fetten Oberschenkel und Arme. Sein jahrelang aufgedunsenes Gesicht hatte wieder eine normale Farbe angenommen. Aus den einst hundertdreißig oder hundertvierzig Kilo waren mittlerweile etwa neunzig geworden, die Cognacflasche war aus seiner Schreibtischschublade verschwunden, er rauchte nicht mehr (wofür Durant ihn fast am meisten bewunderte) und schien endlich Frieden mit sich und der Welt geschlossen zu haben. Der große Schmerz über den Verlust seiner Frau und seines Sohnes, der ihn so lange gefangen gehalten hatte, war verflogen. Hinter vorgehaltener Hand wurde sogar gemunkelt, er habe eine neue Liebe gefunden, was allerdings nur ein Gerücht war, wenn auch ein hartnäckiges, denn gesehen hatte man Berger bislang noch nicht in Begleitung einer Frau. Doch welchen anderen Grund hätte es sonst für seine Wandlung geben können?
    »Guten Morgen, Frau Durant«, sagte er und warf einen Blick auf die Uhr. »So früh?«
    »Carpe diem, wie es so schön heißt«, erwiderte sie nur und hängte ihre Tasche über die Lehne. »Und da wir heute eine Menge zu tun haben, dachte ich mir, je früher ich anfange, desto mehrschaffe ich.« Sie setzte sich, verschränkte die Beine und holte eine Zigarette aus der Schachtel. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    Berger schüttelte den Kopf. »Ach was. Aber hatten Sie mir nicht erst kürzlich gesagt, Sie würden damit aufhören?«, fragte er grinsend. »All die guten Vorsätze dahin, was?«
    »Ich höre langsam auf. Gestern habe ich zum Beispiel nur sechs Stück geraucht. Im Gegensatz zu meinen dreißig bis vierzig früher ist das doch eine Leistung, oder etwa nicht?«
    »Und was ist, wenn der Stress wieder anfängt?«
    »Ich werde mich bemühen.«
    »Nun gut. Solange wir noch alleine sind, erzählen Sie mir doch einfach ein paar Neuigkeiten, zum Beispiel, was gestern Abend war.«
    »Gestern Abend.« Sie zuckte mit den Schultern. »Das Mädchen ist wie vom Erdboden verschwunden.«
    »Und was sagt Ihr Bauch?«
    »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht.«
    »Ach, kommen Sie, das können Sie jedem erzählen, aber mir nicht. Dazu kenne ich Sie inzwischen zu gut. Also?«
    »Wenn Sie’s unbedingt wissen wollen, ich glaube nicht an ein Happy End. Allein die Schilderungen der Eltern, was die Zuverlässigkeit ihrer Tochter angeht, dazu das penibel aufgeräumte Zimmer … Sie ist nicht einfach abgehauen, da steckt mehr dahinter.«
    »Ein Gewaltverbrechen?«
    »Schon möglich. Es passt einfach zu viel zusammen. Eins ist sicher, sie hat vor ihren Eltern und ihren Freundinnen Geheimnisse gehabt. Zumindest eines. Und dieses eine könnte ihr zum Verhängnis geworden sein. Deswegen hätte ich gerne eine Hundertschaft zusammen mit einer Hundestaffel, die das Gelände um

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