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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ihr vergangen hat. Auf jeden Fall habe ich nur eine Spermasorte gefunden, aber keine Wunden wie Risse oder geplatzte Äderchen im Intimbereich.«
    »Noch was?«
    »Na ja, nur eine Kleinigkeit noch …« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er sagte: »Sie war schwanger.«
    »Bitte was?«, entfuhr es Hellmer. »Schwanger? Im wievielten Monat?«
    »Etwa sechste bis siebte Woche.«
    »Also noch am Anfang. Haben Sie vielleicht noch eine Überraschung für uns?«
    »Reicht Ihnen das etwa nicht?«
    »Doch, doch. Und vielen Dank.«
    »Den ausführlichen Bericht bekommen Sie am Montag. Schönen Abend noch.«
    Hellmer legte auf und sah in die Runde. »Ihr habt’s vernommen«, sagte er und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Die liebe, unschuldige Selina, das nette Mädchen von nebenan, die Selina, die angeblich noch nie Geschlechtsverkehr hatte, war schwanger! Und es war bestimmt keine jungfräuliche Empfängnis. Was für ein Mist!«
    »Das wäre natürlich ein Motiv«, meinte Durant, die sich zurückgelehnt hatte und einen Becher Kaffee in der Hand hielt. »Selina ist schwanger, erzählt ihrem Geliebten davon, und der, angeblich glücklich verheiratet, beschließt, sie aus dem Weg zu räumen.«
    »Und quält sie über einen Zeitraum von vierundzwanzig Stunden?«, fragte Hellmer zweifelnd.
    »Moment«, sagte Doris Seidel und hob die Hand, »ihr könnt gleich weiterdiskutieren, aber hier, ich hab was in einem Französischheft gefunden. Ein Gedicht oder ein Spruch: ›Man entdeckt keine neuen Weltteile, ohne den Mut zu haben, alle Küsten aus den Augen zu verlieren. André Gide.‹«
    »Ja, und?«, fragte Durant verständnislos. »Wer ist André Gide?«
    »Keine Ahnung, ist mir einfach nur aufgefallen, während ihr geredet habt. Es passt nicht zum üblichen Kontext. In diesem Heft stehen nur französische Sätze, bloß dieser Spruch ist auf Deutsch. Und sie hat André rot eingekreist.«
    »Zeig mal«, sagte Hellmer und schaute ihr über die Schulter. »Man entdeckt keine neuen Weltteile, ohne den Mut zu haben, alle Küsten aus den Augen zu verlieren. Was hat das zu bedeuten?«
    »Sie wollte ihr altes Leben hinter sich lassen und ein neues beginnen«,bemerkte Kullmer trocken. »Soll selbst bei einer wohlbehüteten Fünfzehnjährigen vorkommen. Vor allem, wenn so ein alter Knacker auftaucht und ihr das Blaue vom Himmel verspricht. Tja, und wenn sie auch noch schwanger war …«
    »Das ergibt keinen Sinn«, mischte sich jetzt Berger ein. »Das …«
    »Augenblick, Augenblick«, wurde er von Durant unterbrochen, die aufgestanden war und sich mit dem Rücken an die Fensterbank lehnte. Ihre linke Wange juckte, sie strich sich mit der Hand kurz darüber. »Es könnte doch immerhin sein, dass sie tatsächlich vorhatte, alle Zelte abzubrechen. Ich meine, weshalb schreibt sie sonst einen solchen Spruch in ihr Heft? Alle Küsten aus den Augen verlieren, das würde bedeuten, dass sie zum Beispiel vorhatte, sich vom Elternhaus zu trennen … Doch das würde wiederum allem widersprechen, was wir bisher über sie erfahren haben und was auch in dem Heft steht, das sie als Tagebuch benutzt hat. Sie hatte ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihren Eltern und ihren Geschwistern, sie hatte ihre Freundinnen, und sie hatte ihr Pferd, das sie angeblich so sehr liebte. Gibt man das alles für einen Mann auf?« Sie presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Nein, nicht Selina. Sie hätte niemals eine solche Entscheidung getroffen. Frank, du erinnerst dich doch an gestern Abend, als wir in ihrem Zimmer waren. Es war alles aufgeräumt, nichts fehlte, sie hatte sogar noch das Kalenderblatt abgerissen. Sie ist ganz normal zum Reiten gefahren …«
    »Und sie hat ihren Eltern erzählt, sie würde bei einer Freundin übernachten, ihren Freundinnen im Reitclub aber gesagt, sie müsste dringend nach Hause. Ein ganz eindeutiger Widerspruch …«
    »Widerspruch hin, Widerspruch her«, setzte Durant ihre Überlegungen unbeirrt fort, »was immer sie auch ihrer Umgebung verheimlichte, sie hatte meiner Meinung nach nicht vor, wegzugehen. Der Spruch mag zwar darauf hindeuten, für mich ist er aber nur symbolisch gemeint. Zeig doch noch mal her«, bat sie Doris Seidel,die das Heft über den Tisch schob. Julia Durant las und sagte: »Okay, wir machen für heute Feierabend und sehen uns morgen früh in alter Frische. Wir müssen eine Soko bilden. Das Heft behalte ich erst mal.«
    »Ich könnte noch ein paar von den Heften und Ordnern

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