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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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davon aus, dass er noch ein zweites Mal zuschlägt.«
    Red nicht so einen Mist, dachte Durant, weil ihr Bauch etwas anderes sagte.
    »Ihr Wort in Gottes Ohr.«
    Selinas Zimmer. Nichts war seit dem Mittag verändert worden, so weit Durant feststellen konnte. Sie ging schnurstracks zur Pinnwand, die über dem Schreibtisch hing, und sah auf die beiden Kalenderblätter. Auf einem ein Spruch von Albert Einstein, »Phantasie ist wichtiger als Wissen«, auf dem andern der von André Gide.
    »Hier«, stieß Durant leise, aber triumphierend hervor, »ich hab’s doch gewusst! Und sie hat den Vornamen rot eingekreist, wie indem Heft.« Sie überlegte, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sah Hellmer an, ohne ihn direkt wahrzunehmen. Ihm kam es vor, als würde sie durch ihn hindurchschauen. »André. Könnte ein André unser Mann sein? Aber wer heißt hier so? Wir sind in Deutschland und nicht in Frankreich.«
    »Hattersheim war lange Zeit unter französischer Besatzung, und eine der Partnerstädte ist Sarcelles …«
    »Wie lange ist das her, ich meine, das mit der Besatzung? Nach dem Krieg?«
    »Nee. Nadine interessiert sich für Geschichte und wollte gleich nachdem wir hergezogen sind alles über Hattersheim und Okriftel wissen und hat sich eine Menge Material aus dem Archiv besorgt und mir die Ohren vollgelabert. Die Besatzung war im 19. Jahrhundert.«
    »Scherzkeks! Heute heißt man Alexander, Thomas, Julian, Richard …«
    »Oder Andreas?«, wurde sie von Hellmer unterbrochen. »André ist doch die französische Form von Andreas.«
    »Wie viele mit Namen Andreas kennst du? Oder genauer gesagt, wie viele verheiratete Männer namens Andreas kennst du hier in Okriftel?«
    Hellmer schluckte schwer und sah Julia Durant entgeistert an. »Nur einen, aber …« Er schüttelte energisch den Kopf. »Nein, komm, der fällt aus! Jeder, aber nicht der.«
    »Wen meinst du denn? Jetzt spuck’s schon aus, ich bin nämlich fremd hier.«
    Hellmer druckste herum, bis er schließlich leise sagte: »Gerber. Er heißt mit Vornamen Andreas.«
    »Uups! Was hat sie gleich noch geschrieben – er ist mit einer wunderschönen Frau verheiratet, und sie weiß genau, er würde sich nie von ihr scheiden lassen. Aber das würde ihr nichts ausmachen … Sie war einfach nur in den Mann verliebt. Gerber, ein erfolgreicher Arzt, gut aussehend, vermögend, eine bildhübsche Frau. Er passt genau in das Bild, das Selina von ihm gezeichnethat. Klingt doch irgendwie logisch, oder?« Durant sah Hellmer herausfordernd an.
    »Ob logisch oder nicht, er ist nicht der Typ dafür …«
    »Nicht der Typ? Wie sieht denn so ein Typ aus? Fragen wir ihn doch einfach. André oder besser Andreas Gerber. Der Patenonkel der süßen kleinen Selina. Sollte ich falsch liegen, entschuldige ich mich in aller Form dafür und lade dich und Nadine ins Kino ein. Sollte ich jedoch Recht behalten, schuldest du mir ein Essen in einem Restaurant meiner Wahl.«
    »Gerber würde niemals einen Menschen umbringen. Schon gar nicht auf so bestialische Weise. He, Julia, ich kenne ihn. Und er ist bestimmt einer der beliebtesten Männer hier im Ort. Nicht bei jedem, aber bei den meisten. Er hat einen gewaltigen Ruf zu verlieren …«
    »Und genau das ist es doch«, sagte sie und tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust. »In dem Augenblick, wo du einen Ruf zu verlieren hast, verlierst du auch deinen Verstand. Wie oft haben wir das schon in der Vergangenheit erlebt? Sag’s mir, zehnmal, zwanzigmal, hundertmal? Ich pfeif auf den guten Ruf, den jemand genießt. Wir fahren jetzt sofort zu ihm und werden ihm ein paar sehr unangenehme Fragen stellen. Und sollte er auch nur eine nicht zu meiner Zufriedenheit beantworten können, oder ich merke, dass er lügt oder uns etwas verheimlicht, werde ich ihn auf der Stelle mit aufs Präsidium nehmen und einen Gentest veranlassen, um zumindest herauszukriegen, ob er Selina geschwängert hat. Und dann gnade ihm Gott.«
    »Julia, du verrennst dich da in etwas. Aber gut, du bist der Boss.«
    »Hast du etwa Angst?«
    »Ich kann mich auf jeden Fall nicht mehr bei ihm blicken lassen, wenn wir ihn fälschlicherweise verdächtigen.«
    »Es gibt genug andere Ärzte. Du wirst schon einen finden. Weißt du denn, wo er wohnt?«
    »Nein, aber frag doch seine Frau, die ist unten.«
    »Du fragst sie, ihr habt euch doch heute schon bestens unterhalten.«
    »Leck mich!«
    Sie verabschiedeten sich von Helga Kautz, die die Beamten wie durch einen Schleier wahrnahm, und

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