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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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könnte über anatomische Kenntnisse verfügen?«
    »Du meine Güte, heutzutage kann fast jeder über anatomische Kenntnisse verfügen. Sie brauchen sich nur ein entsprechendes medizinisches Fachbuch zu besorgen. Oder besuchen Sie die Ausstellung Körperwelten, dort kann jeder sehen, wo sich welches Organ im Körper befindet. Diese Kenntnisse kann sich mittlerweile wirklich jeder aneignen.«
    »Also braucht man kein Arzt zu sein?«
    »Wie oft soll ich es noch sagen, nein!«, antwortete Bock unwirsch.
    »Können Sie ein Muster erkennen? Ich meine, hat der Täter wahllos zugestochen, oder hat er vielleicht … Gott, wie sich das anhört. Hat er vielleicht ein Bild gemalt?«
    »Bild? Was für ein Bild?«
    Hellmer atmete tief durch und sagte: »Siebenundsiebzig Einstiche, sieben ins Herz. Wir haben es schon mit ausgerasteten Killern zu tun gehabt, die wie wild auf ihr Opfer eingestochen haben. Aber hier wurde offensichtlich mitgezählt. Und wenn Sie sagen, dass die meisten Stiche nur oberflächlich waren und nicht zum Tod geführt hätten …«
    »Kann Zufall sein. Suchen Sie doch nach einem Bild, wenn Sie meinen, eins finden zu müssen. Ich kann nichts erkennen. Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass es auf jeder Brustseite fünfunddreißig Stiche sind, die sieben ins Herz ausgenommen.«
    »Dann zeigen Sie uns mal die Fotos, die Sie gemacht haben.«
    Bock reichte Hellmer einen Umschlag, und er holte die Fotos heraus. Geschossen vor und nach dem Waschen, vor und nach der Obduktion.
    »Hier, wie sieht das aus?«, sagte Durant und zeichnete eine Linie nach. »Das ist tatsächlich ein Bild. Schau mal hier«, fuhr sie fort, »hier schräg hoch, oben über der Brust ein Bogen, dann geht es wieder leicht schräg nach unten und endet mit dem vermutlich ersten Stich. Und das Gleiche auf der andern Seite, nur dass er hier noch sieben Stiche ins Herz gesetzt hat. Was denkst du, was das ist?«
    Hellmer schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
    »Prof. Bock, schauen Sie sich das doch bitte mal an. Oder nein, können wir das Foto kopieren?«
    »Das ist ein Polaroid. Aber ich habe die gleichen Aufnahmen auch auf Negativfilm. Wollen Sie’s behalten?«
    »Haben Sie vielleicht einen dünnen schwarzen Filzstift?«, fragte Durant, die allmählich nervös wurde und endlich Gewissheit haben wollte, ob das, was sie vage zu erkennen meinte, auch stimmte.
    »Hier«, sagte Bock, der einen Stift aus der Schublade seines Tisches holte.
    »Danke. Ich möchte das mal ganz leicht nachzeichnen.« Und nach einer Minute: »Voilà! Wie sieht es jetzt aus?«, fragte sie mit stolzgeschwellter Brust, als würde sie auf Anerkennung warten.
    »Flügel! Der Schweinehund hat Flügel gemalt. Selina hat von unserem Mörder Flügel bekommen. Warum Flügel?«
    »Red Bull verleiht Flügel!«, sang Bock nur.
    Hellmer sah Bock irritiert an, musste dennoch grinsen, wandte sich aber gleich wieder Durant zu. »Gratuliere, darauf wäre ich nie gekommen. Unser Mann ist ein Psychopath ersten Grades. Mischner?«
    »Im Knast lernt man einiges«, sagte Durant. »Man lernt, die Psychologen auszutricksen, und man lernt von anderen Gefangenen, wenn sie mit ihren Taten prahlen. Und vor allem hat man Zeit, über vieles nachzudenken. Wir sollten uns den Jungen mal vornehmen.«
    »Rache?«
    »Könnte sein. Wenn es stimmt, dass er es schon damals auf Selina abgesehen hatte … Prof. Bock, Sie haben gestern gesagt, sie sei betäubt worden. Glauben Sie, sie hat gar nicht mitbekommen, wie sie umgebracht wurde?«
    »Schwer zu beurteilen«, antwortete Bock schulterzuckend, »aber ich habe circa sechzehn Stunden nach Todeseintritt noch eine beträchtliche Menge eines Beruhigungsmittels aus der Reihe der Benzodiazepine in ihrem Gehirn, in der Leber und im Blut festgestellt. Außerdem im Nasen- und Rachenbereich Spuren eines Betäubungsmittels, vermutlich Chloroform. Sagen wir es so, die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei vollem Bewusstsein war, ist zu über neunzig Prozent auszuschließen. Aber ob sie etwas mitbekommen hat und was, diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten.«
    »Das heißt, er wollte ihr nicht bewusst wehtun beziehungsweise sie leiden sehen …«
    »Was ein riesengroßer Unterschied ist«, bemerkte Hellmer. »Wenn er ihr nicht bewusst wehtun wollte …«
    »Ich will ja Ihre philosophischen Ergüsse nicht unterbrechen, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, diese woanders fortzusetzen?«, fragte Bock, diesmal mit einem breiten Grinsen. »Ichwürde nämlich gerne

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