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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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lassen wollte. Die
dritte Möglichkeit war, dass das Haus überhaupt nichts mit dem Mord an
Violet Chambers zu tun hatte. Doch daran wollte Lapslie gar nicht
denken, teils, weil er bei diesem Fall verzweifelt auf einen Durchbruch
wartete, vor allem aber, weil er Erdbeeren schmeckte, obwohl das Radio
ausgeschaltet war und auch Emma Bradbury schwieg. Ihm stand eine
Überraschung bevor, bloß ob sie angenehm oder unangenehm war, das
musste sich noch zeigen.
    Emmas Handy klingelte. Nach ein paar knappen »Jas« und
»Uh-huhs« brach sie die Verbindung ab und wandte sich Lapslie zu.
»Überraschung!«, sagte sie. »Der Durchsuchungsbefehl ist abgelehnt
worden.«
    »Irgendjemand hat was gegen uns«, bemerkte Lapslie bitter.
    Die letzten paar hundert Meter führten über einen Fahrweg, an
dem nichts darauf hindeutete, dass sich je jemand darum gekümmert
hatte, ihn instand zu halten. Weiß- und Rotdornhecken wucherten zu
beiden Seiten. Durch die Lücken dazwischen sah Lapslie Felder, die
vollends wieder der Natur anheimgefallen waren. Unkraut und Gras
überwucherte alles, was dort vielleicht einmal angepflanzt worden war.
Wenn überhaupt noch Menschen in dem Haus lebten, so betrieben sie keine
Landwirtschaft mehr. Falls sie es denn jemals getan hatten.
    Hinter einer Kurve fanden sie das Haus. Es stand inmitten
eines verwilderten Rasens und war aus rotem Backstein gebaut, zwei
Stockwerke hoch, mit hohen Fenstern und einem großzügigen Portal mit
spitzem Holzdach. An allen Fenstern waren die Vorhänge zugezogen.
    Der Wagen hielt vor dem Haus auf der von Moos überwachsenen
Auffahrt, zwischen deren Pflastersteinen zähes Unkraut spross. Lapslie
ging auf das Portal zu. Zwei Stufen, von vertikalen schwarzen Rissen
wie gefrorene Rinnsale durchzogen, führten zur Haustür hinauf. Emma
Bradbury war dicht hinter ihm, und sie berührte seine Schulter, noch
ehe er den Türklopfer hob.
    »Boss«, sagte sie, »schauen Sie mal da rüber.«
    Er folgte der Richtung, in die sie zeigte. Neben dem Haus,
eingegrenzt durch einen niedrigen Zaun, war ein Garten. Anders als die
Zufahrt und die Felder ringsum wirkte er wundervoll gepflegt.
Scharlach- und malvenfarbige Blüten öffneten sich vor dem Hintergrund
aus leuchtend grünem Blattwerk. Lapslie sah allerlei verschiedene
Beeren – rote, blaue, purpurfarbene und schwarze –,
die schwer an schwankenden Zweigen hingen.
    »Hier ist jemand gewesen«, meinte Emma warnend. »Dieser Garten
ist gepflegt worden, und zwar erst vor kurzem.«
    »Als ob derjenige, der hier wohnt, sich weder um die Zufahrt
kümmert noch um die Felder; bloß der Garten ist sein ganzer Stolz und
seine Freude«, meinte Lapslie. »Also los. Weiter.«
    Die Tür war irgendwann in der Vergangenheit grün gestrichen
worden, aber Sonne und Regen hatten ihr so zugesetzt, dass der
ursprüngliche Farbton kaum noch auszumachen war. Das Holz des
Türrahmens zerbröselte an den Kanten. Ein Fenster, kaum einen Meter
rechts von der Tür, war weiß von Spinnenweben, sowohl von innen als von
außen. Eine der Scheiben wies Sprünge auf.
    Er klopfte, einmal, zweimal. Das Echo hallte donnernd durchs
Haus, auf der Suche nach jemandem, der vielleicht öffnete. Aber
keinerlei Bewegung, kein Laut, nichts. Lapslie klopfte erneut. Die Töne
gesellten sich zu dem vorherigen Echo, prallten vor und zurück, rollten
von Raum zu Raum, von unten nach oben und wieder zurück. Immer noch
nichts.
    Lapslie trat zurück, spannte den Körper an und schwang einen
Fuß gegen die Tür, traf mit dem Absatz nicht weit unter dem Schloss.
Der hölzerne Rahmen splitterte. Er trat noch einmal zu, und die Tür
flog auf, wirbelte dabei einen Stoß Briefe wie Schneeflocken gegen die
Wand.
    »Polizei!«, rief er. »Kommen Sie raus, so dass wir Sie sehen
können!«
    Keine Bewegung, kein Laut. Gemeinsam traten Lapslie und
Bradbury ins Haus.
    Ein abgestandener, unangenehmer Geruch hing in der Luft, und
Lapslie musste ein Würgen niederkämpfen, als er weiterging. Die Diele
war dunkel, ein verblichener Teppich zog sich darin entlang.
Verschiedene Türen gingen von ihr ab. Alle waren geschlossen.
    Er ging auf den nächstgelegenen Raum zu – den, dessen
Fenster sie rechts neben der Eingangstür gesehen hatten – und
stieß die Tür auf. Sie zischelte über den Teppich, als sie aufschwang.
Der Geruch nach etwas zutiefst Abstoßendem wurde plötzlich stärker.
    Durch das von Spinnenweben verhangene Fenster fiel gedämpftes
Licht herein und beleuchtete einen langen, festlich

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