Kaltgestellt
wieder hinauf in sein Zimmer ging, kam Marler ihm entgegen. Sie waren allein im Treppenhaus. Nirgends war jemand zu sehen, der ihnen hätte zuhören können.
»Ich habe erfahren, daß Sie nach der Explosion der Minotaurus Denise begegnet sind.«
»Begegnet ist das richtige Wort. Sie hat kurz hallo gesagt und ist dann weiter den Gang entlanggeeilt. Sie kam mir ziemlich beschäftigt vor.«
»Das ist sie wohl auch. Wie sieht es übrigens mit unseren neuen Wagen aus? Wahrscheinlich hatten Sie so spät kein Glück mehr.«
»Doch, hatte ich. Ich habe die Autovermietung angerufen, von der unsere Wagen am Flughafen waren. Es war gerade noch jemand im Büro, und den habe ich überredet, uns zwei weiße Audis mit Winterreifen in die Hotelgarage bringen und die anderen Wagen abholen zu lassen.«
»Sehr gut. Dann können wir jetzt jederzeit von hier verschwinden. Und das könnte ziemlich bald sein.« Auf dem Weg hinauf in sein Zimmer plagten Tweed beunruhigende Gedanken. Denise war es gewesen, die Marler von dem Treffen auf der Minotaurus unterrichtet hatte, Denise hatte mit den Hotelangestellten gesprochen, wobei es sicherlich um die Explosion des Lastkahns gegangen war, und Denise hatte Marler kurz auf dem Gang getroffen. Und doch hat Denise Marler gegenüber mit keinem Wort das Unglück erwähnt – und mir gegenüber auch nicht.
30
Um sieben Uhr abends ging Paula allein durchs Hotel, um sich ein bißchen umzusehen.
»Es gibt hier zwei feindliche Elemente«, sagte sie zu sich. »Ed Osborne und Denise Chatel. Wahrscheinlich hat Osborne Denise angewiesen, uns von dem angeblichen Treffen auf der Minotaurus zu erzählen, um uns damit in die Falle zu locken. Wenn wir bei der Explosion in der Nähe des Kahns gewesen wären, hätte es uns alle das Leben gekostet.« Sie war gerade vom zweiten Stock in den ersten hinabgestiegen und ging nun dort den Korridor entlang, als sich ein paar Meter vor ihr eine Tür öffnete und Denise Chatel herauskam. Es war die Tür zu Tweeds Zimmer. Denise drehte sich noch einmal um, sagte etwas und schloß die Tür hinter sich. Dann ging sie mit ausdruckslosem Gesicht an Paula vorbei, als ob diese für sie überhaupt nicht existierte. »Was geht hier vor, zum Teufel?«, fragte sich Paula. Das Hotel war seltsam still. Paula ging wieder zurück zur Treppe und hinunter ins Erdgeschoß. Weder in der Hotelhalle noch in den Restaurantsälen war jemand zu sehen. Auch das Schreibzimmer war leer. Paula stieg in den Lift und fuhr hinauf zu Tweed. Einen Augenblick lang dachte sie, in einem alten Film zu sein, der immer und immer wieder abgespielt wurde, denn als sie den Gang entlangging, öffnete sich abermals die Tür von Tweeds Zimmer. Diesmal war es Sharon Mandeville, die herauskam, noch etwas sagte und dann die Tür schloß. Mit graziösen Schritten kam sie auf Paula zu. »Gut, daß ich Sie treffe«, sagte Sharon mit einem freundlichen Lächeln und blieb stehen. »Ich organisiere gerade ein kleines Abendessen unten im Restaurant. Bob Newman und Tweed haben meine Einladung schon angenommen. Hätten Sie nicht auch Lust zu kommen?«
»Nun, ich.«
»Denken Sie nicht lange drüber nach, sagen Sie einfach ja.« Sharons Lächeln wurde immer strahlender. Aus ihren grünen Augen sah sie Paula freundlich an.
»Haben Sie Mitleid mit mir. Eine Frau und zwei Männer geht meistens nicht gut. Wenn Sie nicht kommen, bin ich in der Minderzahl.«
»Ich komme gern. Vielen Dank für die Einladung.«
»Um acht Uhr im großen Restaurant. Nicht in der Brasserie daneben.«
»Ich werde da sein.« Paula sah Sharon noch eine Weile nach. Die Frau ging so leichtfüßig mit geradem Rücken, daß sie fast zu gleiten schien. Als sie um die Ecke verschwunden war, runzelte Paula die Stirn, bis sie sich an eine Freundin erinnerte, die ihr einmal gesagt hatte, daß man davon Falten bekäme. Sie drehte sich um und klopfte an Tweeds Tür. »Herein«, rief er von innen.
»Ich bin’s nur«, sagte Paula, nachdem sie eingetreten war. »Ich war gerade unterwegs und dachte mir, ich schaue mal nach, wie es Ihnen geht.«
»Mir geht’s gut. Sie wissen ja, daß ich mir gern etwas Zeit nehme, um mich auf ein gutes Essen vorzubereiten. Sharon hat mich und Newman heute Abend ins Restaurant eingeladen. Nett von ihr, daß sie uns nicht hinaus in die kalte Nacht hetzt.« Tweed, der seinen besten dunkelblauen Anzug anhatte, saß auf der Couch und schnürte seine spiegelblank geputzten Schuhe. Er machte einen entspannten Eindruck. »Ich bin gerade
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