Kaltgestellt
Tweed, während er sich in den Sessel gegenüber Paula setzte.
»Hier geht etwas Unheimliches vor.« Paula griff nach der Kaffeekanne und fühlte, ob sie noch warm war. Dann nahm sie eine Tasse mit Untertasse vom Tisch. »Der Kaffee scheint noch relativ frisch zu sein. Trinken Sie doch eine Tasse. Das hilft beim Nachdenken.« Paula sah zu, wie Tweed langsam den Kaffee trank und dabei ins Leere starrte, als wäre er in Gedanken meilenweit entfernt. Schließlich stellte er die Tasse zurück auf den Tisch und begann zu sprechen.
»Guy war kurz zuvor bei mir«, sagte er. »Er hat mir angeboten, uns beim Kampf gegen Ronstadt und dessen Leute zu unterstützen. Er weiß in etwa, was sie vorhaben, und ist der Meinung, daß das verhindert werden muss. Aber noch einmal zu dem Vorfall draußen auf dem Gang. Könnten Sie sich vorstellen, wer die Person war, mit der Strangeways die Auseinandersetzung hatte?«
»Vorhin habe ich schon fast gedacht, daß es Osborne war.«
»Aber hätten Sie den denn nicht an der Stimme erkannt?«
»Nicht unbedingt. Schließlich habe ich ihn ja noch nie erlebt, wenn er wütend war.«
»Stimmt. Wenn jemand erregt ist, kann sich seine Stimme stark verändern.«
»Halten Sie Guys Angebot eigentlich für eine gute Idee?«
»Ich bin zu dem Entschluß gelangt, daß er uns durchaus eine Hilfe sein könnte. Wenn ich ihn mitnehme, kann er ja in Marlers Audi mitfahren. Überhaupt, ich sollte vielleicht Marler anrufen und ihn um seine Meinung dazu fragen. Wenn er ablehnt, muss Guy hier bleiben.«
Tweed nahm wieder das Handy und rief Marler im Schwarzwälder Hof an. Nachdem er ihm vage Andeutungen über sein Gespräch mit Strangeways gemacht hatte, ohne dessen Namen zu erwähnen, legte er das Telefon zurück auf den Tisch.
»Wir müssen warten, bis Marler mich von einer Telefonzelle aus zurückruft«, sagte er zu Paula. Es dauerte zehn Minuten, in denen weder Tweed noch Paula ein Wort sagte. Tweed runzelte die Stirn, was bei ihm ein Zeichen dafür war, daß er angestrengt nachdachte. Paula wollte ihn dabei nicht stören. Als das Telefon schließlich klingelte, erklärte Tweed Strangeways Vorschlag im Detail und betonte, daß die Entscheidung darüber aber allein bei Marler liege. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, lächelte er Paula an. »Marler ist einverstanden, daß Guy mitmacht. Guys Angebot, sich wie ein normaler Soldat behandeln zu lassen, hat dabei wohl den Ausschlag gegeben. Guy war im Krieg und weiß, wie man kämpft. Und wenn ich mich nicht täusche, ist das genau das, was uns im Schwarzwald erwartet: Krieg.«
»Wäre es vielleicht möglich, unten im Restaurant zu Mittag zu essen?«, fragte Paula. »Ich habe zwar ausgiebig gefrühstückt, aber ich bin schon wieder hungrig. Muß wohl an der Kälte liegen.«
»Na schön, gehen wir hinunter.«
Unten in der Halle bemerkten sie sofort, daß etwas nicht in Ordnung war. Angestellte des Hotels, die einen entsetzten Eindruck machten, rannten aufgeregt herum. Als der Chefportier Tweed sah, eilte er auf ihn zu. »Mr. Tweed, Sir Guy Strangeways ist erschossen worden. Er hat noch gesagt, er wolle einen Spaziergang machen. Weil er seine Handschuhe hier hat liegen lassen, bin ich ihm nach. Auf einmal habe ich einen Schuß gehört und gesehen, wie Sir Guy unmittelbar vor der Tür zu Boden gestürzt ist. Er war auf der Stelle tot.«
37
Paula stand wie angewurzelt vor dem Portier und konnte kaum fassen, was sie soeben gehört hatte. Auch Tweed mußte die Neuigkeit erst einmal verdauen, bevor er nachfragte:
»Haben Sie draußen irgend jemanden oder irgend etwas gesehen?«
»Nein, nichts. Bis auf einen braunen Opel, der gerade um die Ecke fuhr.«
»Wo ist der Tote?«
»Ich habe ihn in den Aufenthaltsraum dort drüben bringen lassen.«
»Vielen Dank«, sagte Tweed und sah, wie Newman die Treppe herabkam. Während Newman von Paula über das Vorgefallene informiert wurde, ging Tweed zu dem Raum, den ihm der Hotelangestellte gezeigt hatte. Gerade als er die Hand nach der Türklinke ausstreckte, kam Rupert Strangeways von der Seite auf ihn zu und packte ihn am Arm. »Sie dürfen da nicht hinein«, knurrte er. »Nehmen Sie sofort Ihre Finger weg!«, herrschte Tweed ihn an und stieß ihn mit der Schulter zur Seite. Rupert hielt sich am Türrahmen fest und wollte erneut auf Tweed losgehen, aber Newman packte ihn von hinten und drehte ihm den Arm um.
»Sie tun mir weh!«, fauchte Rupert.
»Keine falsche Bewegung, sonst breche ich Ihnen Ihren verdammten
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