Kaltgestellt
Machthabern zu verbünden. So sieht die Lage für die Amerikaner im Westen aus. Im Osten haben sie es mit Europa und dem Mittleren Osten zu tun. Ich brauche nur den Iran zu erwähnen, wo die Mullahs bereits seit Jahren an der Atombombe basteln. Wenn die sich mit der Türkei verbünden, die ebenfalls auf dem besten Weg hin zu einem muslimischen Gottesstaat ist, könnten sie eines Tages ganz Europa überrennen.«
»Aber der Iran ist viele Meilen von Amerika entfernt«, gab Tweed zu bedenken und deutete auf die Weltkarte an der Wand.
»London liegt näher an der amerikanischen Ostküste als Peking an San Francisco. Und trotzdem machen sich die Amerikaner Sorgen um China.«
»Ich verstehe nicht ganz den Zusammenhang.«
»Wenn eine islamische Weltmacht sich Großbritannien einverleiben würde, dann würde aus Amerika eine isolierte Festung werden, die sowohl von Westen als auch von Osten her von Feinden bedroht wird.«
»Und wieso glauben die Amerikaner, daß so etwas passieren könnte?«, fragte Tweed.
»Weil sie die Europäische Union für ein heilloses Durcheinander halten. Da werden unzählige Nationen mit unterschiedlichen Sprachen und unterschiedlicher Geschichte, die teilweise einen unterschwelligen Hass aufeinander haben, zu einem äußerst instabilen Gebilde zusammengewürfelt. Die EU erinnert die Amerikaner an das habsburgische Österreich-Ungarn, das ein ähnlicher Vielvölkerstaat war, am Ende des Ersten Weltkriegs aber in viele kleine Einzelstaaten auseinander brach. Ein weiteres Beispiel aus der jüngeren Zeit ist Jugoslawien. Auch dort hat es ein Gemisch aus unterschiedlichen Völkern mit je eigenen Sprachen und Religionen gegeben. Nach Titos Tod ist alles wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen.«
»Und was ziehen die Amerikaner Ihrer Meinung nach für Schlüsse daraus?«
»Sie malen sich ein Szenario aus, in dem eine überlegene islamische Macht Westeuropa erobert. Nehmen wir doch nur einmal an, ein vereinigtes Europa würde angegriffen. Können Sie sich vorstellen, was dann in Brüssel los ist? Alles würde drunter und drüber gehen, und niemand könnte sich zu einer Entscheidung durchringen. Bis man mit dem Debattieren fertig wäre, hätten die Moslems längst den Rhein überschritten. Ich bin davon überzeugt, daß einige europäische Staaten einen etwaigen Krieg um jeden Preis vermeiden wollen würden und lieber kapitulieren.«
»Und was, meinen Sie, gedenken die Amerikaner dagegen zu tun?«
»Das weiß ich nicht, aber sie haben einen Plan. Denken Sie daran, daß Morgenstern von Geburt her Europäer ist und erst als junger Mann in die Vereinigten Staaten gegangen ist.«
»Ist der Plan, von dem Sie da sprechen, von ihm?«
»Keine Ahnung. Aber er hat enormen Einfluß in Washington.«
»Und wie sieht dieser Plan aus?«, fragte Tweed unverblümt. »Ich sagte doch schon, daß ich das nicht weiß. Die Amerikaner haben keine Sekunde lang vergessen, daß ich Engländer bin.« Strangeways trank seinen Whisky aus. »Aus diesem Grund vertrauen sie mir nicht.«
»Dafür wissen Sie aber ziemlich gut Bescheid.«
»Ich weiß eben, wie die Amerikaner denken. Und wie steht es mit Ihnen? Haben Sie eine Ahnung, was vor sich geht?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Tweed ausweichend. »Mir ist bekannt, daß die Amerikaner große Stücke auf Sie halten, Tweed«, sagte Strangeways beiläufig und starrte dabei an die Wand. In der rechten Hand drehte er nachdenklich das leere Glas. Tweed meinte, eine seltsame Verschlagenheit an seinem Gastgeber zu entdecken, die ihm bislang noch nie aufgefallen war. »Und wieso soll das so sein?«, fragte Tweed. »Auf der anderen Seite des Atlantiks weiß man es zu schätzen, daß Sie die Dinge global sehen. Außerdem bewundert man das, was Sie in der Vergangenheit getan haben. Am meisten aber gefällt den Amerikanern, daß Sie kein Politiker sind. Morgenstern hat einmal über Sie gesagt, Sie hätten das Zeug zu einem echten Staatsmann.«
»Nett von ihm. Sind Sie persönlich eigentlich mit dem, was da offenbar gerade passiert, einverstanden?«
»Es ist eine verteufelte Sache, aber ich kann mich nicht entscheiden. Die Welt verändert sich von Tag zu Tag. Die jetzige Situation ist in der Vergangenheit ohne Beispiel.«
»Weshalb genau haben Sie mich eigentlich um dieses Treffen gebeten, Guy? Ich darf Sie doch Guy nennen?«
»Selbstverständlich. Nun, ich hatte einfach das Bedürfnis, Ihnen meine Gedanken mitzuteilen, um Ihre Meinung dazu zu hören. Na ja, ich glaube, ich
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