Kammerdiener gesucht
meine Schwester ausgesetzt wird, ist hassenswert. Ich will keinen Heiligen aus mir machen - aber seit ich weiß, daß dieser Schuft lebt, verlange ich nach Rache an ihm. Das könnt ihr mir wohl nachfühlen, denn mich hat er zum Krüppel werden lassen, was nur durch die Kunst der Ärzte vermieden wurde. Zum Sterben hatte er mich verurteilt, und was dann aus Mary geworden wäre, daran darf ich nicht denken.«
Kuno ballte seine Fäuste. Er mußte sich beherrschen, denn reden durfte er ja nicht so, wie er es aus seinem übervollen Herzen heraus getan hätte.
Michel legte beruhigend seine Freundeshand auf die von Achim. »Ruhig bleiben, Junge - das ist jetzt das Allerwichtigste für uns alle. Willst du einmal mit unserer prächtigen Frau Sörensen sprechen? Ich meine, von ihr geht sehr viel Ruhe und Vernunft aus.«
»Ein guter Gedanke. Bitte, Kuno, rufen Sie Frau Sörensen zu mir. Ich will nicht hoffen, daß ich euch draußen zum Hungern verurteile durch unsere persönlichen Angelegenheiten?« fragte er mit liebenswürdigem Lächeln, war es doch sein Grundprinzip, Angestellten so gütig wie nur möglich zu begegnen.
Kuno winkte aber nur ab, schaute noch einmal Rübezahl an, der ihm zublinzelte, und schon sauste er davon, um Tante Schirin zu holen, von der er auch für sich Beruhigung erhoffte. Am liebsten hätte er ja erst noch schnell an Marys Schlafzimmertür gelauscht, ob Mary sich schon ein wenig beruhigt habe. Doch vertraute er Gertraude, denn sie, das wußte er, konnte wunderschön trösten.
Oben in Marys Zimmer saßen die beiden jungen Frauen dicht beisammen. Gertraude hatte ihren Arm um Marys Schultern gelegt, und diese lehnte ihren müden Kopf an Gertraudes Schulter. »Wie lieb von Ihnen, zu mir zu kommen! Ich bin wirklich ' sehr, sehr verzweifelt.«
»Ihr Herr Bruder ließ mich wissen, daß Sie Kummer haben, ich solle zu Ihnen gehen. Bitte, glauben Sie nicht, daß ich mich in Ihr Vertrauen drängen will, aber einiges weiß ich natürlich schon durch meine Arbeiten mit Herrn Professor. Kann ich etwas für Sie tun?«
»Nichts weiter, als daß ich noch ein wenig weinen kann, und daß ein Mensch mich tröstet. Ich darf doch Achim nicht länger merken lassen, wie entsetzlich aufgeregt ich bin, wie mich die Begegnung mit dem furchtbaren Menschen erschüttert hat. Es ist schon grauenvoll, wenn man gewissermaßen einen Toten wiedersieht; aber daß man einem bösen, hinterhältigen, verbrecherischen Menschen gegenübersteht, der aus der Hölle gekommen sein muß, das ist furchtbar.«
»Ein Irrtum ist ausgeschlossen?«
»Völlig. Es ist Einar Thorsen, sein Gesicht, seine Stimme, seine Bewegungen, alles ist er.«
»Sie erinnern sich genau, daß seine Worte eine Drohung für Sie, für Ihren Bruder enthielten?«
»Einwandfrei. Dazu die Ankündigung, daß er herkommt. Oh, Fräulein Horn, was soll nur werden? Unser schöner Frieden hier, dies alles, was so harmonisch um uns ist! Ich liebe dieses neue Heim, das wir uns kauften, um einen Platz auf der weiten Erde zu haben, der uns Heimat sein soll - und nun kommen solche teuflischen Schatten über uns.«
Gertraude hatte ein etwas wehmütiges Lächeln für diese Worte und strich sanft über Marys Haar. »Ich verstehe Sie sehr gut, oh, wie gut verstehe ich Sie! Es ist wundervoll im Torhaus Gleichen. Aberbitte, nicht verzweifelt sein. Das Gute siegt, muß siegen, und Sie und Ihr Bruder brauchen doch vor Gemeinem keine Angst zu haben. Vielleicht läßt sich alles gut aus der Welt schaffen, vielleicht sucht dieser Mensch Sie beide nur zu erpressen? Als ich neulich wieder hierher kam, saßen diese beiden bösen Menschen mit im Zug, und gleich hatte ich das beklemmende Gefühl, einem schönen, bitterbösen Luzifer gegenüber zu sein.«
»Luzifer! Richtig, das ist er, das war er! Wie grauenvoll war es doch, als er mich wieder anfaßte - das war vielleicht noch schlimmer als seine Drohungen.«
»Auch das kann ich verstehen. Beruhigt es Sie vielleicht, wenn Sie mir von damals erzählen, damit Sie selbst sich noch einmal genau an alles erinnern könnten?«
»Ein guter Gedanke, Gertraude. Bitte, ich darf Sie so nennen? Es ist dumm, jetzt, wo wir als Freundinnen zusammen sind, uns noch konventionell anzusprechen. Aber Sie müssen auch Mary zu mir sagen.« Sie nickten sich zu, und dann fing Mary an, von den letzten Tagen des Zusammenlebens mit Einar zu berichten, wie sie ihn gern sah, seine fröhliche Unbekümmertheit mochte, ihn liebte, und sich auf ein Leben an seiner Seite
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