Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
Vom Netzwerk:
nach Norwegen gekommen war. An dem breiten Weg, der sich vom Haupteingang zum Universitätskrankenhaus Grini schlängelte, knatterten die Flaggen im Wind. Zehn Fahnenstangen auf jeder Seite machten die Einfahrt zu einer Allee in Rot, Blau und Weiß. Der Himmel war noch immer wolkenlos, in der Nacht war allerdings Wind von Nordosten aufgekommen.
    Die intensive, unnormale Hitze war vorüber.
    Jetzt war wieder Frühling.
    Das Krankenhaus lag tief in der Landschaft und erinnerte aus der Luft an eine riesige Möwe. Kein Teil der Anlage war höher als fünf Stockwerke, und die geschwungenen Mauern und die flachen Dächer ließen den Komplex kleiner wirken, als er eigentlich war. Die Umgebung war zu einem gigantischen Park geworden, mit Weiher, Becken, botanischem Garten, zwei Spielplätzen und einem medizinischen Museum mit eigenem Eingang an der südlichen Spitze des einen Möwenflügels.
    Die Lage des neuen Universitätskrankenhauses im Westen von Oslo war das Ergebnis einer heftigen und lange anhaltenden Diskussion. Als die Mehrheit am Ende meinte, der hypermoderne Neubau sollte bei der Stadt Drammen entstehen, auf den Wiesen im Norden der Europastraße, in Lier und Gullhella, wurde sie von dem überrumpelt, was später als skandalöser Handstreich der Ortsgruppe der Konservativen bezeichnet wurde. Mit neuen und beunruhigenden Berichten über potenzielle Giftbomben im Boden, dort, wo früher die Dynofabriken gelegen hatten, vollführten die Leute aus Bærum ein politisches Manöver, das niemand später so recht erklären konnte. Der Minister, der für das Unternehmen die Hauptverantwortung trug und in Eiksmarka in Bærum aufgewachsen war, bestätigte die überraschende Entscheidung, kurz bevor der Vorschlag für den Staatshaushalt 2003 dem Parlament vorgelegt wurde.
    Dass für ein neues Krankenhaus, das nur wenige Kilometer von dem bereits existierenden Krankenhaus für Asker und Bærum liegen würde, ein Kostenrahmen von vierzehn Milliarden Kronen bewilligt wurde, führte zu einer Art Bürgerkrieg zwischen den Nachbargemeinden Drammen und Asker und Bærum.
    Aber der Entschluss war gefasst, und das GRUS wurde gebaut.
    An Tagen wie diesem wimmelte es in der Krankenhausumgebung von zufriedenen Menschen. Sie hatten nicht nur ein neues Krankenhaus für ihre Steuergelder bekommen, sondern auch ein vorbildliches Naherholungsgebiet.
    Die Stimmung im Freien mochte an solchen Tagen zwar gut sein, im Besprechungsraum, wo die Medizinische Abteilung sich am Morgen traf, war sie jedoch eher gedrückt. Ola Farmen setzte sich als einer der vier Assistenzärzte ganz unten an den Tisch. Lars Kvamme, der am Wochenende kardiologischen Bereitschaftsdienst hatte, sollte die Besprechung leiten. Petter Bråten sah aus, als ob er zu spät aufgewacht wäre, um noch zu duschen. Vielleicht rieche ich ja auch nicht besser, dachte Ola und schaute hinüber zu den drei PJlern, die offenbar gerade aus dem Urlaub gekommen waren. »Urlaub« – ein Wort übrigens, das in Olas Wortschatz kaum noch existierte, Die ganze Familie verbrachte jeden Sommer drei Wochen in ihrer Hütte in Sandefjord. Mit inzwischen fünf Kindern waren die Sommerwochen am Wasser zu einer Anstrengung geworden, die schlimmer war, als zu Hause zu bleiben. Und wenn alles vorüber war, musste Ola im Krankenhaus Doppelschichten einschieben.
    »Ola! Dr. Farmen!«
    Ola fuhr zusammen.
    »Ja?«
    »Ich habe nach dem Neunzehnjährigen mit den Kopfverletzungen gefragt«, sagte Lars Kvamme gereizt.
    »Ach«, sagte Ola kleinlaut. »Dem Jungen ist sein Kletterversuch im obersten Stock der Gesamtschule Valler nicht bekommen. Mit zwei Promille, gemessen anderthalb Stunden später. Ich habe den wachhabenden Neurochirurgen in Ullevål verständigt. Traumatische Gehirnblutung, aber der Junge bleibt hier. Für den Vormittag ist eine weitere CT vorgesehen. Ansonsten hat sich vor allem Dr. Joachimsen von der Neurologie um den kleinen Trottel gekümmert.«
    »Bei solchen Patienten auf der Intensivstation wundert es mich ja doch, dass du dir die Zeit nimmst, das Krankenhaus mitten in der Nacht zu verlassen«, sagte Lars Kvamme. »Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du mehr als eine Stunde lang verschwunden warst.«
    »Eine Dreiviertelstunde«, sagte Ola.
    »Lange genug«, sagte Lars. »Ganz schön verantwortungslos, wenn du mich fragst.«
    Ola wollte gerade erwidern, dass niemand vorhabe, ihn zu fragen, als das Telefon in seiner Tasche vibrierte.
    Ruf mich an. Müssen uns treffen. Zu niemandem

Weitere Kostenlose Bücher