Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
hätte?
Detektiv: Klingt
ziemlich unwahrscheinlich …
Klient: Sie sind doch
Autor, Karl. Sie wissen besser als ich, wie gute Storys funktionieren. Einen unwahrscheinlichen
Zufall braucht jede Geschichte, um ins Rollen zu kommen. Niemals zwei oder mehr,
kein Zuschauer oder Leser würde das schlucken. Aber einer als Initialzündung funktioniert.
Und der Zufall in unserer kleinen Geschichte hat seinen Ursprung tief in der voll
automatisierten Datenverwaltung von ›InterTransplant‹. Tief unten in den Kellergeschossen,
wo in klimatisierten Räumen auf großen, summenden Computerservern die Daten Millionen
potenzieller Organspender und -empfänger gespeichert, Korrespondenzen archiviert,
Adressen verwaltet werden. Ein nahezu perfekt arbeitendes System, mit einer Fehlerquote
von unter eins zu einer Milliarde. Aber er tritt auf, der Fehler. Vielleicht ist
es eine falsch programmierte Softwarezeile, vielleicht menschliches Versagen eines
IT-Administrators – ganz egal. Das Ergebnis der Fehlfunktion ist ein vollautomatisch
generiertes Standardschreiben an einen Organempfänger, ein abschlägiger Bescheid
auf eine Anfrage bezüglich der Identität eines Spenders. Welders’ Anfrage. Eine
Routineaufgabe für die Verwaltung des Institutes, die täglich dutzendfach abgewickelt
wird. Nur diesmal geht etwas schief. Ein einziges Mal. Dieser Brief, adressiert
an den Organempfänger, steckt im Postausgang in einem maschinell adressierten Umschlag
– adressiert an die tote Spenderin . Der Vater der Spenderin, mein Berufskollege,
ist völlig außer sich, ruft bei ›InterTransplant‹ an, wird schließlich zu einer
Mitarbeiterin durchgestellt, die an Ihrem Bildschirm die Ursache des Missgeschicks
rekonstruieren kann. Sie entschuldigt sich tausendmal bei dem unglücklichen Mann,
aber sie ist noch relativ neu in ihrem Job und sehr aufgeregt. Und anstatt diplomatisch
und professionell zu reagieren, ihm zu erzählen, der eigentliche Empfänger des Briefes
habe mit der Organspende seiner Tochter überhaupt nichts zu tun, verrät sie im Gespräch
unfreiwillig und implizit, dass Welders tatsächlich der Empfänger ist .
Detektiv: Das ist gut.
Sehr gut. Viel zu gut für ein Fantasieprodukt. Andererseits: Wenn diese Geschichte
wahr wäre, würden Sie sie mir niemals verraten. Oder erzählen Sie sie mir, gerade weil ich sie dann unmöglich für wahr halten kann?
Klient: Immer
langsam, Karl. Sie haben ja gleich einen Knoten im Großhirn. Warum starren Sie mich
plötzlich so an?
Detektiv: Sie
halten heute Ihren Kopf so seltsam schief, ich kann immer nur Ihre rechte Gesichtshälfte
sehen.
Klient: Da ist
nichts, nur ein verspannter Nacken. Jetzt bleiben Sie doch sitzen, es gibt da nichts
zu sehen.
Detektiv: Hm.
Ihre linke Wange ist gerötet und etwas angeschwollen. Haben Sie Zahnschmerzen, Jacques?
Klient: Wie
ich schon sagte, nur eine kleine …
Detektiv: Moooment,
so leicht kommen Sie mir nicht davon. Nein, das sieht mir nicht nach einer Wurzelentzündung
oder einer Verspannung aus. Mehr nach einer saftigen Ohrfeige. Meine Frau hat Ihnen
eine gescheuert!
Klient: Ex frau.
Jetzt hören Sie doch auf, ich kann Ihre kindischen Spekulationen nicht mehr hören.
Detektiv: Sie
haben meine kleine Gebrauchsanleitung ausprobiert, habe ich recht? Sie konnten es
gar nicht abwarten! Oh, ich sehe genau vor mir, wie Ihr erstes intimes Rendezvous
mit ihr gelaufen ist. Zuerst ein exklusives Candle-Light-Dinner, wahrscheinlich
im Orangeriegarten in Bessungen oder im Jagdschloss Kranichstein. Sie muss von Ihnen
hingerissen gewesen sein, verkörpern Sie doch alles, was sie an mir vermisste –
Bildung, Stil, Intellekt, Eloquenz. Danach sind sie beide zu ihr oder zu Ihnen gefahren,
haben endlos weitergeplaudert, über Kultur, Theater, Musik, Psychoanalyse – aber
irgendwie haben Sie den Dreh nicht gekriegt. Diese ganze abgehobene, kultivierte
Laberei stand wie Beton zwischen Ihnen und dem ordinären, bodenständigen Fick, nach
dem Sie sich doch so sehnten. Und da haben Sie sich an meinen Rat erinnert und angefangen,
ihr ein paar Sauereien ins Ohr zu flüstern …
Klient: Genug
jetzt, lassen Sie uns bitte endlich wieder über den Fall reden!
Detektiv: Sagen
Sie, wie klingt das, wenn ein Psychoanalytiker sich an Dirty Talk versucht? Hey,
Schätzchen, ich will dich mit meinem Phallus penetrieren? Oder: Honey, wir beide
spielen jetzt Urszene, bis mein Ödipus pfeift. Egal, jedenfalls hat sie
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