Kampf Dem Chaos
einen Schritt auf sie zu. Sie musste das Gleiche getan haben, denn wir lagen uns plötzlich in den Armen. Zu mehr waren wir nicht fähig.
»Einander festhalten ist einfacher, als einander zu finden. Ich glaube, das begreift ihr jetzt langsam«, sagte Justen nach geraumer Zeit.
Das Zittern hörte auf und Krystal schlang ihre Finger um meine; ich hielt ihre fest.
»Ich nehme an, ihr zwei seid einverstanden?«
Ich nickte, vermochte nicht zu sprechen. Auch Krystal nickte nur.
»Setzt euch auf diese zwei Hocker hier nebeneinander.«
Wir sahen uns an und setzten uns.
Die rein körperliche Prozedur verhieß nichts sonderlich Mystisches oder Kraftvolles – ein kleiner Schnitt und zwei Blutstropfen wurden vermischt –, aber Dayala kettete unser Blut durch etwas aneinander, das ich nur als Ordnungs-Chaos-Schloss bezeichnen konnte. Mit meinen Sinnen fühlte ich sofort eine dünne Ordnungs-Linie zwischen uns.
Keine Gedanken, keine Gefühle, nur Ordnung.
»Wie alles Lebende braucht auch dieses Band Zeit zum Wachsen, wofür ihr dankbar sein solltet.« Justens Stimme klang rau, beinahe schroff. »Seid gut zueinander.«
Seid gut zueinander. Nur ein einfacher Satz, dennoch ließ er alles andere zweitrangig werden.
»Denkt daran«, sagte Dayala sanft und es klang wie ein Flüstern aus dem Großen Wald, aus dem sie kam und den wir vermutlich nie zu Gesicht bekommen würden, »ihr habt euch zwei Mal füreinander entschieden.«
»Nun geht und lasst uns Alten in Frieden«, schloss Justen.
Krystal und ich gingen langsam hinaus und blieben im engen Flur stehen. Wir sahen uns an. Krystal hatte sich nicht verändert: dieselben schwarzen Augen, dasselbe kurze, silbern durchzogene schwarze Haar. Auch ich fühlte mich nicht anders.
»Lass uns spazieren gehen«, schlug ich vor.
»Wohin?«
»Hinunter zur alten Festung.«
»Das wäre schön.«
Noch immer hielt ich ihre Hand und ich wollte sie auch nicht loslassen, selbst wenn unsere Hände aneinander klebten.
»Lerris ...?«
»Ja?«
»Können wir die Hände tauschen? Ich lauf auch nicht weg.«
Ich ließ sie los, trat auf die andere Seite und nahm ihre rechte Hand in meine linke. Wir schwitzten beide, als wir am Wellenbrecher ankamen, und bestimmt gaben wir ein Bild der Dämonenhölle ab, doch das kümmerte mich nicht.
Nur ein Turm der Feste stand noch. Der Rest bestand aus Trümmern und Steinen, kleine graue Steine, große graue Steine, Ziegelbruch und grauer Staub.
Ich erspähte einen flachen Stein im Schatten des Turmes. »Wir können uns dort setzen.« Meine Füße schmerzten. Eigentlich tat mir alles weh. »Tut dir auch alles weh?«, fragte ich.
»Nicht alles. Mein Haar schmerzt nicht.«
Wir lachten und umarmten uns, dann ließen wir uns nieder.
Vom Hafen drangen die Geräusche des Wiederaufbaus herüber: hämmern, sägen und die klirrenden Werkzeuge der Steinmetzen – und natürlich die lauten Stimmen. Nichts ging in Kyphros leise oder ohne Geschwätz vonstatten.
Ein warmer Windhauch wehte an uns vorüber, Tod und Zerfall schwebten darin mit. Das Wasser plätscherte gegen die Steine wie ein Murmeln aus einem fernen Korridor.
»Warum haben wir das getan?«, fragte sie.
Ich drückte ihre Hand. »Weil wir verzweifelt sind. Weil wir das nicht verlieren wollen, was wir sonst zu verlieren glauben, und weil wir bereit sind, unser Leben zu riskieren, um es zu behalten.«
Sie sah hinaus aufs flache Wasser.
»Willst du Kinder?«
Ich schluckte. Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht.
»Ich habe noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht, aber ich ging davon aus, dass wir eines Tages welche haben würden.«
»Wann wird eines Tages sein?«
Wann wird eines Tages sein? Nur eine einfache Frage. Ich nahm Krystal in die Arme und wir weinten, weil ... weil eines Tages vielleicht nie sein würde und wir beide das wussten.
Das Wasser murmelte weiter vor sich hin, die Werkzeuge hämmerten unaufhörlich und wir hielten einander fest.
Am nächsten Morgen erwachten wir durch eine kühle Brise, die durch das offene Fenster hereinwehte, und ich wollte uns zudecken.
Mühsam griff ich nach der Decke, denn eigentlich hatte ich keinen Arm frei.
»Nicht ... wir verlieren uns sonst wieder ... nicht ...« Krystals flehende Worte drangen an mein Ohr. Aber sie zitterte, also breitete ich die Decke mit nur einer Hand über uns aus.
Später standen wir auf, doch ich konnte nicht davon ablassen, sie zu berühren, vielleicht ein wenig zu oft.
»Ich gehe schon nicht fort«, murrte sie
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