Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
Direct Action Network (DAN) zusammen, das damals wesentlich an der Organisation von Massenaktionen unter dem Dach der globalen Gerechtigkeitsbewegung beteiligt war. Das DAN war genau genommen keine Gruppe, sondern ein dezentral organisiertes Netzwerk, dessen Arbeitsweise auf direktdemokratischen Prinzipien beruhte und das durch eine ausgeklügelte, aber erstaunlich effektive Form der Konsensfindung funktionierte. Somit spielte das DAN eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Organisationsformen, über die ich bereits in einem anderen Text in diesem Buch berichtet habe. Das DAN existierte in einem rein politischen Raum; es verfügte über keinerlei konkrete Ressourcen und noch nicht einmal über größere Beträge, die hätten verwaltet werden müssen. Eines Tages schenkte jemand dem DAN ein Auto, was eine kleine, aber anhaltende Krise verursachte. Rasch mussten wir einsehen, dass ein dezentral organisiertes Netzwerk rein rechtlich gesehen unmöglich ein Auto besitzen kann. Autos können Individuen oder auch Unternehmen als fiktive Individuen gehören. Auch Regierungen können Autos besitzen;
Netzwerke jedoch nicht. Dazu hätten wir uns als gemeinnützige Organisation eintragen lassen müssen, doch das hätte erfordert, uns komplett umzustrukturieren und unsere egalitären Prinzipien größtenteils aufzugeben. Der einzige Ausweg wäre gewesen, einen Freiwilligen zu finden, der bereit gewesen wäre, sich aus rechtlichen Gründen als Besitzer auszugeben. Doch dann hätte diese Person sämtliche ausstehenden Bußgelder und Versicherungsbeiträge bezahlen müssen. Außerdem hätte man jedes Mal eine schriftliche Genehmigung von dieser Person gebraucht, um in einen anderen Bundesstaat zu fahren. Und wenn das Auto abgeschleppt worden wäre, hätte natürlich nur diese Person es wieder abholen können. Schon bald war das DAN-Auto zu einem solchen Dauerproblem geworden, dass wir es schließlich gar nicht mehr nutzten.
Durch diese Episode war mir etwas Wichtiges aufgefallen. Aus welchem Grund werden Projekte wie das DAN – Projekte, die auf die Demokratisierung der Gesellschaft abzielen – so häufig als bloße Hirngespinste und Tagträumereien abgetan, die sich in Luft auflösen, sobald sie mit der harten materiellen Realität in Berührung kommen? Zumindest in unserem Fall lag das nicht etwa an mangelnder Effizienz: Polizeichefs aus dem ganzen Land hatten übereinstimmend erklärt, wir seien die am besten organisierte Truppe, mit der sie es je zu tun hatten. Der Realitätseffekt (wenn man es so nennen kann) rührt meiner Meinung nach eher daher, dass radikale Projekte in dem Augenblick scheitern oder zumindest auf enorme Schwierigkeiten stoßen, in dem sie sich in die Welt großer, schwerer Gegenstände begeben wie Gebäude, Autos, Traktoren, Boote oder Industriemaschinen. Dies wiederum liegt nicht daran, dass solche Gegenstände an sich nur schwer demokratisch verwaltet werden können – in der Geschichte gibt es zahlreiche Beispiele für Gemeinschaften, die gemeinsame
Ressourcen erfolgreich demokratisch verwalten. Der Grund ist vielmehr, dass diese Objekte unzählige gesetzliche Auflagen und Vorschriften erfüllen müssen und im Grunde vor den bewaffneten Vertretern der Regierung nicht versteckt werden können. So wie auch das DAN-Auto.
In Amerika habe ich zahllose Beispiele für dieses Dilemma erlebt: Nach einem langen Kampf wird ein besetztes Haus legalisiert; dann taucht auf einmal die Bauaufsicht auf und verkündet, dass für zehntausend Dollar Reparaturarbeiten vorgenommen werden müssen, damit das Haus wieder den Bauvorschriften entspräche. Die beteiligten Organisatoren sind daher gezwungen, die nächsten paar Jahre Kuchenverkäufe zu organisieren und Spenden zu sammeln. Dies wiederum heißt, dass sie Bankkonten eröffnen müssen, wodurch für sie automatisch gesetzliche Regelungen gelten, die ihnen vorschreiben, wie sie sich zu organisieren haben. (Dies gilt für alle Gruppen, die Zuwendungen erhalten oder mit der Regierung in Beziehung stehen.) Und natürlich ist es dann nicht mehr möglich, sich als egalitäres Kollektiv zu organisieren. Hinzu kommt: All diese Regelungen werden gewaltsam durchgesetzt. Natürlich steht im normalen Leben die Polizei selten schlagstockschwingend vor der Tür, um dafür zu sorgen, dass Bauvorschriften eingehalten werden. Doch wenn man einfach so tut, als würden der Staat und seine Verordnungen überhaupt nicht existieren, wird genau das irgendwann passieren, wie
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