Kampf für Freiheit
er vor, er wäre gestolpert, taumelte auch mich zu und durchbohrte mit seinem Schwert meinen Oberschenkel.«
Decimus rückte näher an die Gitterstäbe heran. Er schien Marcus’ Mutter völlig vergessen zu haben und schaute nur noch den Jungen an. »Ein Unfall, verstehst du?« Decimus lächelte bitter. »Die Verletzung war so schlimm, dass die Legion mich entlassen musste. Da war ich also rausgeflogen und Titus wurde befördert. Er hat natürlich immer behauptet, es wäre ein Unfall gewesen. Warte nur, ich zeige es dir.«
Decimus hob den Saum seiner Tunika hoch und entblößte seinen rechten Oberschenkel. Marcus hielt die Luft an, als er die breite, weiße, verhärtete Narbe sah, die vom Knie fast bis zur Hüfte verlief.
»Das ist eine Narbe, was, mein Junge?« Decimus senkte die Stimme. »Eigentlich hat mir dein Vater auf gewisse Weise einen Gefallen getan. Wenn ich in der Armee geblieben wäre, dann wäre ich genau wie er irgendwann auf einem jämmerlichen kleinen Bauernhof auf einer gottverlassenen Insel gelandet. So habe ich die Legionen mit Getreide beliefert und mir damit ein Vermögen verdient. Ich habe die richtigen Leute bestochen und mir den Vertrag als Steuereinnehmer für diese Provinz gesichert. Und du kannst dir sicher meine Überraschung und meine Freude vorstellen, als sich Titus wegen einer Anleihe an mich wandte. Ich nehme an, er dachte, die Zeit hätte alle Wunden geheilt. Oh nein, meine Wunden nicht. Also habe ich ihm Geld geliehen, zu günstigen Bedingungen – zu so günstigen Konditionen, dass er sich ermutigt fühlte, noch mehr zu leihen. Und schon bald war er bei mir hoch verschuldet, und ich hatte endlich das Recht, mich an ihm zu rächen.« Er streckte die Hände in die Höhe. »Den Rest der Geschichte kennst du.«
Marcus’ Mutter räusperte sich und sprach dann mit fester Stimme: »Ihr hattet vielleicht das Recht, die Schulden einzutreiben, aber nicht, Titus zu ermorden und seine Familie zu versklaven.«
»Ach, wirklich? Ich habe nur meine Leute ausgeschickt, um das einzutreiben, was Titus mir schuldete. Dass dein Ehemann sich mit Gewalt widersetzte und leider dabei umkam, ist nicht meine Schuld. Jedes Gericht dieser Stadt würde mir da recht geben.«
»Ich frage mich, ob General Pompeius auch so denken würde, wenn er von dieser Ungeheuerlichkeit erfährt?«
»General Pompeius wird nie etwas davon hören. Ich bin kein Narr, Livia. Falls Pompeius je zu Ohren bekommt, dass einer seiner Veteranen ein solches Schicksal erlitten hat, dann würde er gewiss den Schuldigen seinen Zorn spüren lassen. Deswegen habe ich euch ja aus der Versteigerung genommen.« Decimus lächelte. »Diese kleine Vorstellung habe ich nur zu meinem Vergnügen abhalten lassen, um meine Rache noch ein wenig mehr zu genießen. Ich könnte es mir niemals leisten, dass ihr von jemandem gekauft würdet, der sich vielleicht eure Geschichte anhört und euch glaubt, dass euch Unrecht geschehen ist.«
»Was habt Ihr also mit uns vor?«, fragte Marcus besorgt.
Decimus schaute durch die Gitterstäbe auf ihn herab. »Ich könnte euch töten lassen, junger Mann. Heimlich erwürgen und eure Leichen von einer Klippe ins Meer werfen. Das könnte ich machen.« Er legte eine Pause ein, sodass seine Worte ihre volle Wirkung entfalten konnten. Marcus fuhr entsetzt zurück.
»Aber da ich mit der Erinnerung an das Unrecht lebe, das dein Vater mir zugefügt hat, sollst du nun mit der Erinnerung leben, wie ich euch für seine Untat bezahlen ließ.« Decimus strich sich über das spitze Kinn. »Ich habe ein bäuerliches Anwesen auf dem Peloponnes. Es liegt in einem kleinen, von Bergen umgebenen Tal. Im Sommer ist es dort glühend heiß, im Winter bitterkalt. Ich verbringe dort so wenig Zeit wie irgend möglich. Aber auf dem Boden wächst der Hafer gut, und die Sklaven werden zu harter Arbeit angetrieben, um meinen Wohlstand zu vermehren. Dorthin werde ich euch schicken und euch bis ans Ende eurer Tage unter der Peitsche als meine Sklaven auf meinen Feldern schuften lassen. Dort werdet ihr sterben, von allen vergessen, von niemandem vermisst. General Pompeius wird niemals, niemals von eurem Schicksal erfahren und von Titus’ Los auch nicht.«
Er holte tief Luft und lächelte dünn. »Das ist eine angemessene Rache, meinst du nicht?«
Marcus fühlte einen kurzen Augenblick lang Furcht, doch dann packte ihn noch größere Wut. Er verspürte den dringenden Wunsch, die Hände durch die Gitterstäbe zu strecken und den
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