Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
und kaputtes Mobiliar und Verkaufsregale herum, das Licht war tot und kalt, durch die aufgebrochenen Hintertüren drangen die Elemente herein und entfalteten ihre zerstörerische Wirkung, alle Geschäfte jeglicher menschlicher Nutzung entleert –, dann stellte ich fest, dass ich nicht weggeworfenes Leben vor mir sah, sondern das lebendige Leben von ehemals. Und anders, als ich zunächst angenommen hatte, gar nicht wie im Museum. Mein Blick war viel positiver. Was mich auf den Gedanken brachte, dass der Mensch sich vielleicht immer assimiliert, unbewusst, denn beigebracht hatte es mir ja keiner. Jetzt jedenfalls tat ich es. Das macht man allein, nicht mit anderen oder für sie. Vielleicht war das Assimilieren auch gar nicht so schwer und gefährlich, und es musste nicht für immer und ewig sein. Dieses Denken eröffnete mir eine weitere Freiheit, es war wie ein Neuanfang des Lebens. Oder als ob, aber das habe ich schon gesagt, ich ein anderer würde, einer, der nicht festsaß, sondern in Bewegung war, wie es dem Wesen der Welt entsprach. Das konnte ich gut finden oder ablehnen, aber ganz gleich, wie ich es beurteilte, die Welt um mich her würde sich ohnehin verändern.

46
    Während das Sommerwetter immer herbstlicher wurde, veränderten sich auch meine täglichen Pflichten. Der Wind frischte auf und kam eher aus dem Norden, was den Staub aus den Feldern aufwirbelte. Größere, wuchtigere Wolken zogen rasch heran, und grauer Regen rauschte ostwärts über die Prärie. Ich verbrachte jetzt mehr Zeit mit Charley Quarters. Er fuhr mich häufiger zusammen mit Mrs Gedins in die Stadt. Und am Nachmittag nahm er mich in seinem Truck mit über die langen Seitenstraßen zwischen den Feldern und ließ mich bei seinen Unternehmungen mitmachen, was meistens auf das Abschießen von Kojoten hinauslief – erst entdeckte er sie mit dem Fernglas in weiter Ferne, dann fuhr er die Serpentinen entlang, um sie beim Überqueren der Straße abzupassen. Oder er goss Wasser in Erdhörnchenlöcher, um die Bewohner nach oben zu scheuchen, oder wir fuhren seine diversen Fallen ab, in denen wir Hasen und Füchse und Dachse und Moschusratten und manchmal auch kleine Rehe fanden, einen Luchs, eine Eule, einen Falken oder eine Gans – die er sämtlich entweder erschoss oder mit seinem Messer erledigte. Die oft noch zuckenden, blinzelnden Kadaver warf er auf die Ladefläche seines Trucks, um sie später in seiner Nissenhütte zu häuten, das Fell zu trocknen und aufzuspannen und das Leder manchmal auch zu gerben und zu konservieren, und danach brachte er sie nach Kindersley und verkaufte sie bei Brechtmann’s, wohin ich nicht mitdurfte. Manchmal traf er auch Elche auf der Prärie an, die in den Windschutzstreifen oder Gräben ruhten; deren Geweihe wären richtig wertvoll, sagte er, aber es gäbe nicht mehr viele von ihnen. Diesen Teil seiner Arbeit nannte er »grobes Präparieren«. Mit Fallenstellen hatten sich die Métis offenbar immer ihre Unabhängigkeit erhalten, aber jetzt wurden mehr und mehr Provinzgesetze gegen die alten Praktiken erlassen, weil die Wildbestände dahinschwanden. Jetzt musste er für Arthur Remlinger und seinesgleichen arbeiten, den er unübersehbar ablehnte, obwohl er doch ein fester Bestandteil seines Lebens war und bleiben würde.
    Ich sollte ihn begleiten und lernen, den Truck zu fahren (den Charley nur den »Halbtonner« nannte), denn je kälter die Tage wurden, desto mehr Zugvögel kamen in Schwärmen herbei, Wildgänse und Enten und Kraniche aus dem Norden (Charley sprach oft von Lac Le Ronge und Reindeer und anderen Orten), sie machten halt im Weizen und in den Senken und an den Eiszeitseen unterhalb des South Saskatchewan River, ein paar Kilometer nördlich von Fort Royal, und ich sollte nun mit anpacken. Das hieß, ich sollte mich mit dem Schießen auskennen (auch wenn ich selbst noch gar nicht schießen durfte) und Charley auf die Felder begleiten, um nach Abendgänsen zu schauen, denn so konnte man planen, wo man am nächsten Tag ansitzen wollte, ich sollte Gänsegruben ausheben und noch vor Sonnenaufgang hingehen und Lockvögel setzen und die Sportsfreunde in ihren Gruben plazieren, so dass, wenn es hell wurde und das erste Licht auf die Lockvögel traf, die Jäger die Gänse abschießen konnten, die in großen Scharen zum Fressen vom Fluss Richtung Felder flogen.
    Meine wichtigste Aufgabe würde sein, mit einem Fernglas im Führerhaus des Trucks zu sitzen, tausend Meter von den Lockvögeln entfernt,

Weitere Kostenlose Bücher