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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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keinen Erfolg wünschte und Arthur Remlinger auch nicht in Amerika im Gefängnis sehen wollte. Es ist und bleibt ein Rätsel, warum wir Anschluss an bestimmte Leute suchen, obwohl alles dagegen spricht. Wir tun es trotzdem.
    Dort auf dem Parkplatz erfüllte mich tiefe Verwirrung. Vielleicht war ich selbst einem Zusammenbruch nah. Meine Schläfen schmerzten unter der angespannten Haut, Kinn und Nase wurden taub (vielleicht wegen der Kälte). Meine Hände kribbelten. Meine Füße wollten sich nicht bewegen. So seltsam er war und bei allem, was ich über ihn wusste, Arthur Remlinger erschien einfach nicht wie ein Mensch, der eine Bombe transportieren und zünden und jemanden umbringen würde. Auf ihn wäre ich als Letzten gekommen. Auf Charley Quarters viel eher oder die Mörder aus den Wochenschauen. In meinen Augen stand Arthur Remlinger nicht »Mörder« auf die Stirn geschrieben.
    Was aber da stand, war »exzentrisch«, »einsam«, »enttäuscht«; und auch »klug«, »aufmerksam«, »weltgewandt«, »gutgekleidet«. All das bewunderte ich (sosehr ich es abgestritten hatte). Ich beschloss also – und kam so wieder in die Lage, mich bewegen zu können, das Gefühl kehrte in mein Gesicht zurück, und meine Hände brannten nicht mehr –, dass Arthur Remlinger kein Mörder war. Vielleicht waren diese beiden Amerikaner, obwohl sie die richtigen Namen trugen, das richtige Auto fuhren und aus Detroit kamen, gar nicht diejenigen, für die Charley sie hielt. Da war sie wieder, meine Denkgewohnheit. Meine Mutter hatte in ihrer Chronik geschrieben, dass für mich das Gegenteil von allem Offensichtlichen volle Beachtung verdiente. Denn schließlich könnte das Gegenteil wahr sein. Angesichts meiner jüngsten Erfahrung mit der Wahrheit hätte mir klar sein können, dass früher oder später jeder ein Verbrechen beging, ganz gleich, wie unwahrscheinlich es für ihn aussah. Aber ich war nicht bereit, das zu glauben. Ich hätte nicht gewusst, wo mein Platz in der Welt war, wenn das stimmte – denn ich wollte selber kein Verbrechen begehen, und meinen Platz in der Welt zu finden war mein sehnlichster Wunsch. Also versuchte ich mit aller Kraft, an Arthur Remlingers Unschuld zu glauben – das schien in jeder Hinsicht besser zu sein.

60
    An diesem Tag erledigte ich all meine üblichen Pflichten. Ich kürzte meinen Mittagsschlaf ab, weil ich im Foyer zu lange getrödelt hatte und dann nach draußen gegangen war, um den Wagen der Amerikaner zu inspizieren. Die Tage trugen jetzt weniger Licht, und Charley und ich gingen schon gegen fünf hinaus, um die Felder oberhalb des Flusses abzufahren und zu erkunden, wo die Gänse landeten, damit dann die ukrainischen Jungs dort die Gruben plazierten. Sie waren zu zweit, Brüder von einer Farm, über den verstorbenen Mann mit Mrs Gedins verwandt, sie hatten starke, lange Arme und Beine und sprachen und lächelten genauso wenig wie sie. Wenn Charley ihnen sagte, wo sie graben sollten, sprachen sie nie ein Wort mit mir. Sie musterten mich verächtlich, als wäre ich ein privilegierter amerikanischer Bubi, auf dessen Bekanntschaft sie keinerlei Wert legten. Ich fand mich überhaupt nicht privilegiert, ich hatte höchstens das seltsame Privileg, nirgendwo hinzugehören und keine Ahnung zu haben und fortgehen zu können, was sie wohl nicht ohne weiteres konnten.
    Arthur Remlinger ließ sich den ganzen Tag überhaupt nicht blicken. Normalerweise sah ich ihn durchs Hotel gehen. Manchmal packte er mich ja dann in den Buick, unter irgendeinem Vorwand, und wir fuhren über den Highway nach Swift Current oder Richtung Westen, während er sich lebhaft über seine Themen ausließ. Nichts dergleichen geschah an diesem Tag. Und trotz meines Beschlusses, den ich durch »umgekehrtes Denken« getroffen hatte, während ich in der Kälte hinter dem Hotel stand (nämlich dass er kein Mörder war), hing seine Abwesenheit für mich mit der Anwesenheit der Amerikaner zusammen. Ich denke, mir war wohl klar, dass ich mit meinem umgekehrten Denken in Bezug auf die Amerikaner falschlag.
    Ich wusste, dass Charley Quarters die beiden zum Überlaufhaus gebracht hatte, denn ihre Koffer waren weg, als ich wieder nach unten kam, und ihr Wagen parkte auch nicht mehr auf dem Hof. Ich erwartete eine Bemerkung von Charley, dass er mit allem recht gehabt hätte. Aber er war jetzt schmallippig und reizbar geworden und gab nicht einmal mehr seine üblichen kleinen Pöbeleien von sich – dass ich keine Ahnung hätte; dass ich ein

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