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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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war wie ein Schauspieler in der Rolle des Mannes, von dem man als Allerletztem erwarten würde, Dynamit hochgehen zu lassen. Sein ganzes Leben in Kanada schien nur eine lange Probe für diesen Augenblick gewesen zu sein – auch wenn ich normalerweise an derlei Dinge nicht glaube. Falls er Erfolg hatte – und er fand, das hatte er verdient, er hatte genug gelitten –, dann würde alles gut werden und sein Leben weitergehen. Falls nicht, falls er als Mörder identifiziert würde und sich der Aussicht stellen müsste, nach Michigan zurückzukehren, dann wusste keiner, was passieren würde, aber wir würden es erleben.
    Was sie sonst noch sagten, konnte ich nicht verstehen. Die beiden Amerikaner setzten sich. Arthur zog einen Stuhl an ihren Tisch, zog seine Hosenbeine hoch und hockte sich schließlich verkehrt herum hinter die Lehne, ganz unnatürlich, und seinen Hut behielt er auch noch auf. Ich war schläfrig, weil ich an dem Tag schon so viel gemacht hatte, alles in der Angst vor den Amerikanern. Aber ich blieb da. Remlinger unterhielt sich eine Viertelstunde lang angeregt mit den beiden. Er bestellte ihnen noch zwei Bier, die sie nicht anrührten. Er sah beim Sprechen mehrmals zu mir herüber und an mir vorbei. Die beiden lächelten bei allem, was sie sagten. Irgendwann lachte Remlinger und rief – in einer für ihn sehr untypischen Weise: »O ja, ja, ja. Jaaa! Da haben Sie recht.« Und alle drei nickten. Dann setzte sich Remlinger aufrecht hin, streckte einen Arm aus, schien seinen Rücken zu dehnen und sagte: »Das organisieren wir Ihnen alles für morgen.« Was sich, wie ich annahm, auf die Gänsejagd bezog, nicht darauf, dass er als Mörder erkannt wurde. Ich hatte das Gefühl, die Amerikaner waren womöglich jeder für sich zu dem Schluss gekommen, dass Arthur der Falsche war. Oder wenn nicht, dann war er jetzt so schwer wiederzuerkennen, dass man ihn hier draußen in der leeren Prärie in Frieden lassen sollte. Wie gesagt, ich war sehr verwirrt von den Ereignissen, das war mir doch auch alles neu. Niemand sollte mir vorwerfen, dass ich nicht begriff, was ich sah.
    Diese letzten Gedanken trösteten mich, als ich die Treppe zu meiner Kammer unter dem Dachvorsprung hochstieg, die Tür hinter mir abschloss und mich in mein kaltes Bett legte, die Luft vom roten Leonard-Schild getönt. Mein Schuppen in Partreau hatte kein Schloss gehabt, und ich war froh, jetzt über eines zu verfügen, wo nachts alle möglichen Leute durch die Flure liefen. Ich glaubte, jetzt würde alles gut. Arthur hatte erleichtert gewirkt, die beiden Amerikaner zu treffen. Er war gastfreundlich aufgetreten, so als wären die beiden nicht sie selbst, sondern die Gänsejäger, als die sie sich ausgaben, die nach British Columbia weiterreisen würden, sobald sie ein paar Stunden auf Jagd gegangen wären, was Charley und ich für sie organisieren würden. Ich begriff, warum Charley Remlinger als »täuscherisch« bezeichnet hatte. Er hatte die Amerikaner getäuscht, indem er nicht gezeigt hatte, dass er wusste, wer sie waren. Aber ich hatte für mich schon den Schluss gezogen, dass man in der Welt täuschen können musste. Auch wenn nicht jeder ein Verbrechen beging, Täuschen kam bei allen vor. Ich hatte es getan, als ich den Amerikanern nicht gesagt hatte, dass ich wusste, wer sie waren. Ich hatte Geld vor der Polizei verborgen. Ich hatte alle über meine Identität getäuscht von dem Augenblick an, da ich in Mildreds Auto die Grenze passierte und nichts sagte. Der Mensch, der ich heute war, unterschied sich von dem Menschen, der ich in Great Falls gewesen wäre – auch mit unverändertem Namen. Es war nicht klar, ob ich je wieder der Junge von früher sein oder für den Rest meines Lebens ein Täuscher bleiben würde, schließlich wollte ich bald in Winnipeg ein ganz neues, besseres Leben anfangen und dafür alles, inklusive der Wahrheit, hinter mir lassen.
    Während ich in den Schlaf hinübertrieb, versuchte ich mir einen jungen, großen, blonden, unbeholfenen Arthur Remlinger vorzustellen, der eine Bombe in eine Mülltonne legte, an einem Ort, der in meiner Vorstellung wie Detroit aussah. Aber ich konnte den Gedanken nicht im Kopf halten, was meine Art war festzustellen, ob etwas von Bedeutung war (ich konnte mir zum Beispiel nicht vorstellen, wie eine Bombe aussah). Ich versuchte mir ein Gespräch mit den beiden Amerikanern auszumalen. Ich sah vor mir, wie wir die Main Street von Fort Royal hinuntergingen, nicht in dem kalten,

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