Kanada
Wochen, und ich hatte doch meine Pläne mit der Bienenzucht und Schach und all den vielen Dingen, die ich lernen wollte. Ich war zufrieden mit der Richtung, in die sich mein Leben entwickelte – was im Rückblick natürlich verrückt ist, denn ich hatte ja keine Ahnung, in welche Richtung es sich tatsächlich entwickelte. Wahrscheinlich fing mein Vater in den Stunden, nachdem der Indianer Williams-Mouse in unseren Garten gekommen war und ihn, möglicherweise uns alle, mit dem Tod bedroht hatte (das hatte er nämlich mit seiner gefährlichen, leisen Stimme gesagt, so erfuhr ich später), damit an, eine außergewöhnliche Tat zu planen, weil er uns retten musste, und diese Tat war dann der Banküberfall – er fing an zu planen, welche Bank er überfallen und wann und wie er unsere Mutter dafür rekrutieren könnte, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass ihm jemand auf die Schliche kam, damit keiner ins Gefängnis musste. Was dann ja nicht klappte.
8
Später, als ich die komplette Geschichte kannte, das heißt so viel, wie ich jemals erfahren würde, fand ich heraus, dass einen Tag, bevor mein Vater mit meiner Mutter sprach, während sie in der Badewanne lag, und dann in die Nacht hinausfuhr, also dass an diesem Freitag die Indianer auf dem Ladeplatz der Great Northern vier geschlachtete Hereford-Rinder an Digby geliefert hatten und mit der Erwartung weggefahren waren, am nächsten Tag von unserem Vater bezahlt zu werden. Digby hatte beschlossen, da die Hehlerei des gestohlenen Rindfleischs so reibungslos ablief, noch mehr davon entgegenzunehmen und es an einen Freund, der auf einem anderen Great-Northern-Zug Oberkellner war, weiterzugeben, wofür er, Digby, sich gut bezahlen lassen wollte. Unser Vater hatte gefunden, das sei doch eine hervorragende Entwicklung für alle. Doch als er Samstagabend zu Digbys kleinem Bungalow in Black Eagle fuhr, um das Geld abzuholen – inklusive seines eigenen Anteils für die Idee –, teilte ihm Digby mit, zwei der Rinder seien in »ranzigem Zustand« angekommen (nun war es ja Sommer und eigentlich zu heiß, um totes Fleisch in einem ungekühlten Teppichlieferwagen zu transportieren), das könne man nicht mal anderen Indianern vorsetzen und noch weniger den Passagieren im Speisewagen, die sich zwischen Seattle und Chicago etwas gönnen wollten. Er habe im Übrigen bereits die Rinder wegbringen und flussabwärts in den Missouri werfen lassen, damit niemand – die Bahnpolizei zum Beispiel – ihn damit erwischte, uninspiziert, ohne Quittung und ohne Erklärung, was das Fleisch in der Kühlkammer des Bahndepots zu suchen hatte.
Das war eine unwillkommene Überraschung für unseren Vater, der Digby klipp und klar sagte, er hätte die Lieferung nicht annehmen sollen, wenn das Fleisch verdorben war. Bloß hatte Digby es eben doch angenommen, und deshalb fielen das Fleisch und was es kostete (400 Dollar) unter seine – Digbys – Verantwortung.
Unser Vater glaubte, dass Digby, ein spilleriger, glubschäugiger kleiner Kerl mit mädchenhafter Stimme, weißem Sakko und Fliege, Angst vor den Indianern bekommen hatte – denen er ohnehin schon misstraute, so wie sie ihm –, und auf einmal sah sein erweiterter Plan, noch mehr Rindfleisch zu bestellen, nach genau der schlechten Idee aus, die er auch war. Diese Erkenntnis erweiterte sich zu einer noch größeren Angst, erwischt zu werden und seinen lukrativen Speisewagenposten zu verlieren. Wie sich später herausstellte, war Digby in weitere illegale Aktivitäten verstrickt, und die Polizei von Great Falls hätte ihn liebend gern dafür hinter Gitter gebracht. Speisewagenpersonal und Schlafwagengepäckträger waren bekannt dafür, entlang der großen Bahnlinien überall Mädchen bereitzuhalten. In einer Stadt stiegen sie ein, machten unterwegs ihre Geschäfte und stiegen am nächsten Morgen wieder aus.
Unser Vater glaubte ihm keine Sekunde lang, dass das Fleisch verdorben angekommen sei. Das war noch nie passiert, und er sah auch keinen Grund, warum es je passieren sollte. Doch nachdem er erneut zu Digby gefahren war (nach seiner Beratung mit meiner Mutter in der Badewanne), um seine 400 Dollar zu verlangen und sie notfalls aus Digby herauszuprügeln (was untypisch für ihn war, aber nun war er verzweifelt), da saß der schon längst im Western Star auf dem Weg nach Chicago, wo er ein anderes Leben lebte, und mein Vater stand allein vor der Aufgabe, die Sache mit den Indianern auszufechten.
Und nun steckte unser Vater in genau der
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