Kanadische Traeume
“Er wird gleich dasein. Ich habe ihn vom Unterricht befreit, weil er schon seit Jahren Kanu fährt. Oh, da kommt er ja!”
Charity drehte sich um und sah Matthew Blake in der Ferne.
“Mandy!”
“Laß den
Generalstabsarztton! Ich bin keine
Krankenschwester! ” Mandy zwinkerte ihr lustig zu.
“Wie konntest du nur?”
“Ihr seid wie füreinander geschaffen”, sagte Mandy.
“Er denkt sowieso schon, daß ich hinter ihm her sei. Er glaubt bestimmt, ich hätte das arrangiert!”
“Na und? Nutz es aus. Flirte mit ihm!”
“Ich will nicht mit ihm flirten”, erwiderte Charity scharf. “Ich würde lieber mit einer Klapperschlange flirten!” Das schien auf taube Ohren zu stoßen. “Ich jage nicht hinter Männern her!”
“Höchste Zeit, daß du damit anfängst! Lächle!” befahl Mandy. “Du siehst aus, als wolltest du jemandem das Herz aus der Brust schneiden.”
Dir, dachte Charity.
“Guten Tag, Lady Marlowe”, ertönte Matthew Blakes tiefe spöttische Stimme.
“Guten Tag”, erwiderte Charity kurz angebunden und bekam Mandys Ellenbogen in die Rippen.
“Ich habe Ihnen zusammen mit Charity ein Boot zugeteilt.
Sie möchte Sie näher kennenlernen.”
Mandys Stimme
überschlug sich fast.
“Oh, la, la!” Matthew zog die Augenbrauen hoch.
“Das habe ich nicht gesagt”, wehrte sich Charity und fühlte, wie sie errötete. Es hatte keinen Zweck, weiter zu protestieren.
Sie würde es ihrer Cousine, diesem kleinen rothaarigen Teufel, der dauernd Chaos in ihr Leben brachte, irgendwann schon heimzahlen.
Inzwischen blieb ihr der ganze Nachmittag, um diesem Mister Blake zu zeigen, wie sich eine Lady benahm.
“Sie kommen mir heute so schüchtern vor”, sagte er in neckendem Ton. Sie hatte sich weggedreht und blickte starr auf den See hinaus.
“Das ist nicht Schüchternheit, das ist Zurückhaltung”, korrigierte sie ihn hoheitsvoll.
“Aha, damenhafte Zurückhaltung!”
“Genau!”
“Zurückhaltende Damen gehen an öffentlichen Stranden aber nicht splitternackt baden…”
“Falls Sie von gestern abend reden, so kann ich Ihnen nicht folgen!”
“Nachdem Sie sich die Mühe gemacht haben, das Treffen zu arrangieren?”
“Das habe ich nicht!” erregte sich Charity.
“So viel zum Thema Zurückhaltung”, sagte er gutmütig. “Ist auch besser ohne.”
“Ich bin zurückhaltend.”
“Beweisen Sie es.” Seine Augen funkelten herausfordernd.
Sie würde nicht den gleichen Fehler machen wie gestern abend. “Ich glaube, ich fahre doch nicht mit. Ich fürchte, ich bekomme Kopfschmerzen.”
Eine starke Hand legte sich um ihren Ellenbogen. “Steigen Sie schon ein, Lady Marlowe.”
“Hören Sie auf, mich so zu nennen.” Es prickelte, wo er sie anfaßte. “Und lassen Sie mich los!”
“Ich helfe Ihnen nur ins Kanu, wie es sich für einen Gentleman gehört. Eine Dame wie Sie müßte das zu schätzen wissen.”
“Ich hasse Sie!” Charity konnte nicht glauben, daß sie etwas so Kindisches von sich gegeben hatte.
Matthew lachte. “Es gehört sich nicht, daß Angestellte sich zum Mittelpunkt einer Szene…”
Szene! Die Selbstgefälligkeit dieses Mannes kannte keine Grenzen. Glaubte er, die Leute schenkten ihnen Beachtung?
Seien überhaupt interessiert? Dachte er, so unwiderstehlich interessant zu sein … Dann merkte sie, daß sie von fast der ganzen Gruppe, und insbesondere von Mandy, unverhohlen beobachtet wurden. Charity wurde rot. Eine seltsame Spannung bestand zwischen ihr und Matthew Blake.
Charity befreite sich von Matthews Griff und sprang ins Kanu. Anpetuwi war nicht groß, und Klatsch verbreitete sich schnell. Es würde sie später sicher reuen, wenn sie jetzt ihrem Impuls folgte und zum Hotel zurückging.
Charity war so schnell in das Kanu gesprungen, daß es fast umgekippt wäre. Sie würde Mr. Blake den Nachmittag so unangenehm wie nur möglich machen. Das dürfte dieser seltsamen Spannung zwischen ihnen ein schnelles Ende bereiten. Sie kniete sich nieder, wie Mandy es erklärt hatte, und preßte sich gegen den Sitz.
Sie merkte, daß Matthew ins Boot stieg, weigerte sich aber zurückzuschauen. Um ihren Ärger loszuwerden, fing sie wie verrückt zu paddeln an.
Sie hatten eine ganze Weile in angespannter Stille gerudert, als Matthew fragte: “Wofür ist Char die Abkürzung?”
Charity schwieg.
“Charlotte?”
Sie betrachtete mit kühler Gelassenheit die Landschaft und schwieg weiterhin beharrlich. Er ist mein ergebener Diener und rudert mich den Nil
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