Kanadische Traeume
hinunter, stellte sie sich in Gedanken vor.
Sie warf ihm verstohlen einen Blick über die Schulter zu. Leider sah er einem Krieger, der eine Braut entführte, viel ähnlicher als einem braven Diener.
Er verzog spöttisch die Lippen. “Charissa?”
“Sag ich nicht.”
“Wenigstens sprechen Sie wieder. Charla?”
“ich bin nicht verpflichtet, Ihnen meinen Vornamen zu sagen, Mr. Blake.”
“Matthew.’
“Ich ziehe Mr. Blake vor.”
“Ist es nicht ein bißchen spät für Förmlichkeit?”
“Keineswegs.”
Ein kleiner Anflug von Humor schwang in seiner Stimme mit.
“Ich registriere verwirrend Zweideutiges. Charleen? Ich weiß nicht, ob Sie wirklich so unschuldig sind, wie Ihr Blick vermuten läßt, oder ob es eine dieser verschleierten Aufforderungen ist, die ihr Frauen so gut beherrscht.”
“Ach so”, sagte Charity, als ihr langsam etwas klar wurde.
“Sie haben mit Frauen schlechte Erfahrungen gemacht.” Sie hörte zu rudern auf und schaute zu ihm zurück. “Und zwar in jüngster Zeit.”
Der freundlich neckende Ausdruck auf seinem Gesicht war verschwunden, sein Blick kühl und reserviert.
“Ich bin nicht wie gewisse andere Frauen”, sagte Charity sanft.
“Niemand behauptet es”, erwiderte er. Charity merkte, daß er ihr einiges in Sachen Zurückhaltung beibringen konnte. Und sie sah ein, daß sie nicht dazu da war, alles Übel der Welt zu heilen, obwohl sie zweifelsohne sehr dazu neigte. Außerdem müßte sie schon sehr dumm sein, sich der Gefahr eines verwundeten Wolfs auszusetzen, mit nichts als Sympathie gewappnet. Das heißt, Sympathie war nicht gerade das Gefühl, das dieser Mann in ihr weckte. Sie konnte es nicht recht definieren, aber es war etwas viel Stärkeres.
Charity beschloß, Mr. Blake am besten wieder zu ignorieren, und ruderte schweigend weiter. Kam die Anspannung in ihrem Rücken von der ungewohnten Anstrengung oder von Matthews Blicken?
“Sie haben mir immer noch nicht Ihren Namen verraten”, sagte er endlich.
Charity drehte sich um. Er kniete im Boot, seine starken Arme bewegten sich leicht und geschmeidig, während er ruderte. Sein schönes Gesicht sah sie nur im Profil, da er gleichgültig zum Ufer blickte. Aber als sich ihre Blicke trafen, nahm sie für einen kurzen Moment den Ausdruck tiefen Schmerzes in seinen Augen wahr.
“Ich heiße Charity.”
Er zuckte kaum merklich zusammen und lächelte dann
,wieder sein spöttisches Lächeln. “Der Name paßt zu Ihnen”, gab er zu. “Reinheit, Unschuld. Aber irgend etwas stimmt nicht.
Es macht mich nachdenklich.”
“Dürfte ich mich vielleicht aus dem Boot werfen für Sie?”
murmelte Charity wütend und legte sich wieder in die Ruder.
Mandy hatte einen kurzen Ausflug geplant: ungefähr fünfundvierzig Minuten rudern, dann eine Picknickpause in einer versteckten Bucht des Sees und wieder zurück.
Wie Charity feststellte, waren sie und Matthew in ihrem Boot den anderen inzwischen weit voraus. Dann geschah alles ganz plötzlich. Mandy hatte sie zwar gewarnt, daß auf dem See schnell Stürme aufkamen, aber daß der blaue Himmel innerhalb von wenigen Minuten so von schwarzen Sturmwolken bedeckt sein konnte, hätte Charity nie geglaubt. Plötzlich peitschten Wellen auf dem See, und das Kanu schwankte gefährlich auf und ab.
“In die Wellen halten!” rief Matthew. “Solange sie nicht von der Seite kommen, überschwemmen sie uns nicht!”
Sein Haar war vom Wind zerzaust, und er sah wild und ungezähmt aus - und herrlich männlich. Es schien ihm Spaß zu machen, sich mit dem Sturm zu messen. Zu ihrem Schrecken ruderte er das Boot auf den See hinaus anstatt ans Ufer zurück.
Trotzdem fürchtete sie sich nicht. Sie war schon oft in Krisensituationen gewesen und geriet nicht gleich in Panik.
Aber etwas anderes wurde ihr klar. Waren ihre Gefühle für diesen Mann auch widerstreitend bis zum Wahnsinn: Wenn sie in einem brennenden Flugzeug sitzen würde, wollte sie einen Mann wie Matthew Blake an ihrer Seite wissen.
“Ich will sicher sein, daß die anderen an Land sind”, brüllte er gegen das wachsende Getöse des Sturms. Schnell waren sie weit genug draußen, so daß er den Felsenstrand meilenweit überblicken konnte und sah, daß alle an Land waren. Mandy entdeckte sie und signalisierte, daß alles okay sei. Matthew wendete ihr Boot und ruderte mit voller Kraft in eine kleine sichere Bucht. Sie verbrachten die nächsten Minuten damit, das Boot aus dem Wasser zu ziehen.
“Es ist nur ein Gewitter”,
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