Kanaken-Gandhi
amüsiert.«
»Das war ja klar, wenn jemand ein Freund von dir ist, dann kann man von ihm natürlich auch kein Mitleid und Verständnis erwarten. Bei euch roten Brüdern ist doch Hopfen und Malz verloren, wie mein Arbeitskollege Hans aus Halle 4 zu sagen pflegt.«
Bei einer repräsentativen Umfrage, die ich unter den 247
Studenten seines Studiengangs durchgeführt habe, kam heraus, dass drei Prozent glaubten, Mehmet in den letzten fünf Jahren wirklich einmal in der Universität gesehen zu haben, aber sie waren sich nicht sicher. Sieben Prozent meinten, sie würden sich an den Namen Mehmet erinnern, aber soviel sie wüssten, wäre der längst fertig und in seine Heimat Kairo zurückgekehrt. Die restlichen 90 Prozent kannten ihn alle ganz genau, aber nur von verrufenen Diskotheken, Säuferkneipen und Stripteasebars.
»Du ewiger Student«, rufe ich verärgert.
»Da bin ich doch lieber ewiger Student als ewiger Asylant«, hält Mehmet dagegen, »wir Studenten kriegen mehr Bafög, haben die besseren Wohnheime, haben die hübscheren Freundinnen und werden nicht abgeschoben!«
»Osman, lass doch endlich die Jungs in Ruhe!« unterbricht mich meine Frau und drückt mir energisch ein Glas Tee in die Hand. Voller Wut schlürfe ich an meinem Tee; aber bei diesem herrlichen Aroma bekomme ich strahlende Augen.
»Ooh, dieser Tee schmeckt heute ja besonders gut! Siehst du, mein indischer Freund, wie gut türkischer Tee schmecken kann?« rufe ich überlegen, wie ein Kolonialherr in die Runde.
»Osman, du ungehobelter Flegel! Das ist doch indischer Tee!«
fällt mir Eminanim verschämt und verärgert ins Wort.
»Diesen Tee hat der Junge doch vorhin als Gastgeschenk aus seiner Heimat mitgebracht.«
Um das bedeutungsvolle Schweigen nach diesem
unglücklichen Patzer zu kaschieren, werde ich schnell wieder laut: »Also euren Gandhi, den finde ich wirklich toll. Das muss ein phantastischer Mann gewesen sein.«
»Das finde ich gar nicht«, erwidert unser junger indischer Gast, »die Zeiten des stillen Protestes sind endgültig vorbei. Sie haben den zwei Burschen in der Straßenbahn doch auch nicht Ihr zweites Ohr zum Abschneiden hingehalten. Wir werden jetzt in unserer Heimat genauso hart kämpfen, wie unsere Gegner es verdienen! Wie der Guru Gobind Singh seinerzeit schon sagte:
»Wenn alle anderen Mittel nicht ausreichen, dann muss man letztlich zum Schwert greifen!««
»Ist das der Grund, warum sich die Sikhs und die Inder in Kaschmir den Schädel einschlagen? Dabei haben die doch so schöne Pullover! Das verstehe ich ja nun überhaupt nicht«, diskutieren wir von weißem Turban zu weißem Turban.
»Aber, Herr Engin, das ist doch im Prinzip ganz einfach zu verstehen. Die Situation ist doch fast genau dieselbe, wie bei euch. Die Sikhs werden in Indien genauso unterdrückt wie die Kurden in der Türkei!«
»Das stimmt überhaupt nicht! In der Türkei haben alle Menschen die gleichen Rechte!«
»Da werden alle Leute gleichmäßig unterdrückt«, sagt Mehmet.
»Und in der Türkei wird jeder frei geboren!« rufe ich.
»Und gleich danach fängt der Ärger auch an«, sagt Mehmet wieder.
»Puschpa, mein Junge, ich weiß nicht, ob es in Indien Sikhs gibt, aber in der Türkei gibt es keine Kurden. Im Osten leben nur die Berg-Türken!«
»Welchen Osten meinen Sie, den türkischen oder den deutschen?«
»Den türkischen natürlich. Die deutschen Zonis sind doch viel vernünftiger. Die sind gegen eine Trennung. Unsere Generäle und Politiker behaupten, das Wort »Kurde« sei in der Osttürkei in den Bergen entstanden und zwar durch das Laufgeräusch auf dem Schnee: Kurd, Kurd, Kurd!«
»Herr Engin, nach dieser Theorie müsste ja ganz Kanada, Sibirien, Alaska, Osterreich, Finnland und Grönland voll mit Kurden sein.«
»Genau, die Kanadier sind doch die Kurden Amerikas. Die sogenannten »Berg-Amis«!« mischt sich mein unerzogener Sohn Mehmet wieder ein: »Und die Pinguine am Südpol heißen in Wirklichkeit »Kurduine«!«
»Stellen Sie sich doch mal vor, Herr Engin, Ihr Republikgründer wäre kein Türke, sondern Kurde gewesen und hieße Atakurd. Und die Türken dürften in ihrer Heimat keine türkische Musik hören und keine türkischen Zeitungen lesen.«
»Ach, wer liest denn heute noch freiwillig Zeitung, wo es doch Fernsehen gibt! »
»Aber das dürften Sie dann auch nicht in Ihrer Muttersprache.
Selbst in Deutschland kaufen die Türken gleich mehrere Satellitenschüsseln, damit sie auch nicht einen von den
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