Kanaken-Gandhi
wahnsinnig!«
»Aber Frau, das hier ist doch wirklich nicht mit einem perfekten Mord zu vergleichen. Im schlimmsten Fall kann dieser Irrsinn die »perfekte Abschiebung« genannt werden.«
»Dann sag mir mal, wo der Unterschied liegt?«
»Bei der perfekten Abschiebung lebt man zumindest noch, im Gegensatz zum perfekten Mord.«
»Das mag sein, aber nur noch rein körperlich!«
Unser indischer Gast meldet sich zu Wort:
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich so was selbst miterleben muss. Ich schlage vor, dass wir alle aus dem Zimmer rausgehen, es zieht hier fürchterlich durch das kaputte Fenster. Abgesehen davon ist es ohnehin spät geworden, und ich muss morgen ziemlich früh aufstehen. Ich gehe dann jetzt mal lieber«, will sich Puschpa verabschieden.
Während ich wütend die Scherben aufsammele, sage ich:
»Ach, Puschpa, du kannst mir nichts vormachen. Euch ewige Studenten, euch Nichtstuer, die kenne ich nur zu gut. Was du frühmorgens nennst, ist bestimmt nach zwölf Uhr mittags. Wenn diese Leute vom Ausländeramt schlau wären und wenn sie unbedingt ein paar Leute zum Abschieben brauchen, dann sollen sie doch die ganzen Studenten abschieben. Dagegen hätte kein Mensch was. Die Polizei würde mit einer ganzen Hundertschaft und viel Tatü Tata um zehn Uhr morgens vorfahren. Aber für euch ist diese Zeit natürlich mitten in der Nacht, und das viele Saufen hat euch den Rest gegeben. Mein junger Freund Puschpa, die Sirenen werden heulen, Hunderte von Polizisten werden mit ihren schweren Stiefeln durch die Gegend poltern, das ganze Studentenwohnheim wird in Schutt und Asche liegen, und ihr habt nichts davon mitbekommen. Stunden später werdet ihr einer nach dem anderen im Flugzeug völlig verkatert aufwachen. Und wenn ihr dann alle Viere genüsslich von euch strecken wollt, dann geht das nicht! Und die hübsche Stewardess in ihrer Uniform wird sagen: »Guten Morgen, mein Herr. Oder besser gesagt, guten Abend. In zehn Minuten sind wir da. Wir setzen gerade zur Landung auf dem Flughafen von Neu Delhi an. Aber Sie brauchen sich nicht zusätzlich anzuschnallen. Denn Sie sind ja von den Herren Polizisten in der Reihe hinter Ihnen so perfekt an Ihrem Sitz angekettet worden, als wären Sie ein tollwütiger Hund!««
»Osman, lass deine Wut über den Stein nicht an armen Jungs aus. Alles was du da eben von dir gegeben hast, das wird eher dir passieren als den beiden Studenten hier. Vielleicht hast du es schon wieder vergessen, wir sind es, die man in fünf Tagen ausweisen will. Hör doch endlich auf rumzualbern. Fahr doch mal lieber zum Bahnhof und kauf die Zeitung von morgen.
Jemand von der Bürgerinitiative sagte, er will es auch der Presse melden.«
Es ist kurz nach Mitternacht, als ich am Bahnhof ankomme.
Herrlich, diese vielen freien Parkplätze. Ich parke meinen Ford Transit quer ein, so belege ich gleich sechs Parklücken auf einmal. Tagsüber finde ich hier nur Lücken auf den Behindertenparkplätzen. Die Polizisten sagen nie etwas, wenn ich dort parke. Sie gucken immer nur ganz mitleidig. So wie ich aussehe, kann ich das durchaus verstehen.
Die Bahnhofshalle ist ziemlich leer. In der Tür zum Zeitungskiosk steht ein Junge mit einer etwas eigenartigen Frisur und starrt mich genauso eigenartig an. Ich glaube, er ist einer von dieser »Glatzenpost«, von der wir eben eine Nachricht bekamen.
Alle Zeitungen im Regal haben nur ein Thema,
»Arbeitslosigkeit!« Es gibt nur eine Ausnahme, deren Schlagzeile lautet:
»Unglaublich! Drei Rocker von einer ausländischen Oma vergewaltigt!« Ich kaufe diese Zeitung und gehe raus. Aber es steht leider kein Wort über uns darin. Oh, doch, da ist ja was:
»Abschiebung wurde vereinfacht!«
Der Junge von der Glatzenpost ist immer noch da. Jetzt sind sie sogar zu zweit. Als ich an ihnen vorbeigehe, murmelt der eine:
»Türkensau!«
Ich bleib’ stehen und schau’ mir die beiden »ehrenamtlichen Postbeamten« an.
»Nun gut, dass ich ein Schwein hin, war ja nicht schwer zu erraten. Aber wie habt ihr trotz des Turbans gemerkt, dass ich Türke bin?«
Als noch zwei weitere komisch frisierte Gestalten dazukommen, fangen alle zusammen laut an zu schreien:
»Deutschland den Deutschen!«
»Jungs, ich kann euch ja gut verstehen. Aber euren Frust wegen des Haarausfalls müsst ihr schon woanders rauslassen.
Unter dem Turban habe ich auch so eine tolle Glatze, aber dafür gehe ich nie mandem die Schuld. Außerdem hättet ihr mir euren Brief heute Abend auch unter der Tür
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