Kanaken-Gandhi
Hand das Haus verlasse, rufe ich verärgert nach hinten: »Selten hatte ich soviel Verständnis wie jetzt fü r Männer, die freiwillig in den Krieg zogen, nur um von zu Hause weg zu kommen!«
Obwohl das Polizeirevier nur 200 Meter von uns entfernt ist, steige ich mit der Paketbombe extra in die Straßenbahn, in der Hoffnung, die beiden Gangster von vorgestern wieder zu treffen.
Ich fahre zwei Stunden lang von einer Endstation bis zur anderen, aber die beiden Verbrecher lassen sich heute nicht sehen. Anscheinend haben die Burschen Mittwochs Ruhetag!
Ich hätte diesen beiden Kerlen, die meine Butterbrote mit Knoblauchwurst und Ziegenkäse, meine neue Thermoskanne, mein Salmonellenei, meine letzten 23 Mark 65 und mein rechtes Ohr auf dem Gewissen haben, zusätzlich noch gerne dieses Paket mitgegeben. Und damit sie sich auch sofort gierig über die Bombe hermachen, hätte ich laut gejammert: »Nein, nehmt mir mein Paket nicht weg! Da sind doch nur meine ganzen Ersparnisse aus den letzten 30 Jahren drin. Bitte, bitte, ihr dürft mir diese hunderttausend Mark nicht auch noch wegnehmen!«
Dann hätte ich mich unauffällig in sicherer Entfernung versteckt und genüsslich zugeschaut. Anschließend hätte ich diesen Gangstern auch ihre Ohren und noch ein paar Finger dazu in die Jackentasche gesteckt und gerufen: »Jetzt geht mal brav zu Oma, die kann euch ja wieder zusammenflicken.« Als ich mit meinen kaputten Beinen und meinem Kopfverband endlich beim Polizeirevier ankomme, drücke ich lange auf die Klingel neben der Tür. Mit einem tiefen Brummgeräusch geht sie auf. Hinter dem Tresen sind fünf Polizisten mit Kreuzworträtseln beschäftigt. Keiner beachtet mich. Aber ich weiß, wie man sich schnell Zuwendung verschafft! Ich lege das Paket auf den Tresen, laufe zurück bis zur Tür und rufe laut:
»Guten Tag, meine Herren! Das hier ist eine Paketbombe.
Könnten Sie das Päckchen wohl für mich öffnen?« Alle fünf Beamten stürzen fluchtartig in den Nebenraum. Ich höre lautes Fluchen durch die Tür. Nach einer Weile steckt einer der Polizisten seinen Kopf durch die Tür.
»Was wollen Sie von uns? Wir hatten gestern Nacht am Bahnhof überhaupt keine Zeit, sonst hätten wir Ihnen bestimmt geholfen.«
»Sie waren also die höflichen Polizisten am Bahnhof!«
»Wir mussten dringend Pizza holen für unseren Chef!«
»Gut, vergessen wir die Sache! Deswegen bin ich auch gar nicht hier!
»Was wollen Sie mit dieser Aktion denn sonst erreichen?
Wollen Sie Geld, oder haben Sie politische Forderungen?«
»Das ist ein Missverständnis, Sie brauchen keine Angst zu haben. Sagen Sie Ihren Kollegen, sie können rauskommen. Ich tue denen schon nichts! Ich habe dieses Päckchen auch nur zugeschickt bekommen, aber ich befürchte, dass eine Bombe drin steckt! »
»Herbert, Norbert, Alfred, Manfred, kommt mal alle rüber. Ich habe die Sache hier absolut unter Kontrolle!« ruft der mutige Polizist ins Nebenzimmer.
Aber Herbert, Norbert, Alfred und Manfred trauen dem Frieden nicht und wagen sich aus ihrem Versteck nicht raus.
»Leute, die Gefahr ist vorbei! Der Terrorist hat sich ergeben und alles gestanden«, wiederholt er dann wieder.
Gut, gut, ich sehe es ein! Ich bin ja so schlecht, so schuftig!
Den armen Jungs am frühen Mittwochmorgen einen solchen Schreck einzujagen. Mein Gesprächspartner starrt - wie das Kaninchen die Schlange - fasziniert das Paket an. Ich gehe am Tresen vorbei und trete ins Nebenzimmer ein, um dort mein taktloses Benehmen von vorhin zu entschuldigen:
»Liebe Polizisten, ihr braucht euch nicht mehr zu verstecken.
Ihr habt mich alle missverstanden. Ihr tüchtigen Verteidiger von Recht und Ordnung! Dieses Paket habe ich mit der Post heute morgen zugestellt bekommen. Und ich bin zu euch gekommen, weil ich weiß, dass ihr alle so mutig seid, und weil die Polizei ja für jede gefährliche Situation eine Lösung parat hat.«
Nachdem alle vier einmal tief durchgeatmet haben, werfen sie sich plötzlich mit einem lauten Aufschrei auf mich und pressen mich auf den Fußboden.
»Uns entgeht nichts, wir sind immer auf der Lauer. Stets behalten wir die Übersicht« , ruft einer der »Siegreichen Vier«.
»Keine Paketbombe, kein noch so schlimmer Verbrecher, kein noch so finsterer Ort kann uns Angst machen. In jeder Situation sind wir Polizisten immer Herren der Lage«, versucht jemand den peinlichen Moment zu überspielen.
»Das habe ich gesehen...«, stöhne ich, während ich mit dem Gesicht auf dem Boden
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