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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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ein demokratisches Land«, sagte einer der beiden Kripomänner. »Ohne anständige Verhandlung kommt hei uns niemand in den Knast.«
    An diesem Butterbrot-Urteil werde ich wahrscheinlich noch lange zu kauen haben! Urplötzlich ist der Druck meines Darmes unüberhörbar! Ich muss dringend aufs Klo! Sofort! Auf Zehenspitzen hetze ich zum Plumpsklo und reiße den Holzpfropfen aus dem Loch.
    »Quiek, quick!« werden die Ratten lauter.
    Schlagartig lasse ich den Holzpfropfen ins Loch fallen und gehe mit meinen Händen in die bewährte Stellung des Fußballverteidigers beim Freistoß.
    »Mensch, jetzt mach mir doch keine Angst. Ich muss wirklich unbedingt.«
    Vorsichtig ziehe ich den Holzpfropfen aus dem Loch und lehne das 20 Zentimeter lange Teil an die Wand. Mit dem linken Fuß steige ich auf das Holzstück, mit den rechten Fuß stelle ich mich auf den Zementkloß. Und mit den Händen stütze ich mich an der Wand ah.
    Die Ratten sind von meiner Zirkusnummer begeistert. Sie werden immer lauter und klatschen Beifall: »Quiek, quiek, quiek!«
    »Quiek! Quiek!«
    »Quietsch!« Das war das Geräusch vom Guckloch.
    »Na, Junge, was soll das denn werden, wenn es fertig ist?«
    fragt die grelle Taschenlampe.
    »Ich habe solche Angst vor den Ratten. Aber ich muss so dringend!«
    »Ach so, ich verstehe«, sagt die Stimme und schließt die dicke Eisentür auf. »Los, komm mit. Aber mach nicht so eine n Lärm.
    Übrigens, ich bin der Manfred von der Nachtschicht.« Mit meinen schnürsenkellosen Schuhen versuche ich ihm zu folgen.
    Leider rutschen sie mir immer wieder von den Füßen. Wir gehen die Zementtreppe nach oben. Ich muss meinen Hintern zusammenkneifen, um den Flur nicht so aussehen zu lassen wie meine Zelle. Oben im Gemeinschaftsklo angekommen, lasse ich der Natur freien Lauf. Hier gibt es eine anständige, saubere Toilette, und Ratten sind auch nicht zu hören. Mit einem unanständigen Geräusch verliere ich fast die Hälfte meines Körpergewichtes. Erschöpft wasche ich mir danach die Hände, das Gesicht und meine Zahnprothese. Aber die Klospülung betätige ich selbstverständlich nicht. Schließlich will ich meine eigene Zelle nicht sofort wieder überfluten. Ich stopfe mir mehrere Meter Toilettenpapier in die Taschen, als Rohmaterial für eine neue Backgammon-Partie, falls man mich weiterhin nicht schlafen lässt. Dieses Papier ist wie für das Spiel gemacht: Eine Seite Weiß, die andere Blau.
    »Wenn du schlau bist, dann unterschreibst du das Ding einfach«, meint Manfred der Nachtwächter, dem ich vor der Klotür zum ersten Mal ins Gesicht sehen kann.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen, was soll ich
    unterschreiben?«
    »Na, das Papier, das die Abschiebepolizei haben will.«

    »Ich weiß von nichts, mir hat keiner was gesagt.«
    »Aber Junge, die schikanieren dich doch nur, damit du unterschreibst, dass du Deutschland freiwillig verlässt, nicht untertauchst und am Flughafen keinen Affentanz aufführst.«
    »Entschuldigung, Herr Manfred, ic h habe eine Frage, bin ich vielleicht der abgelehnte Asylbewerber, von dem sie im Radio andauernd reden? Der soll sich in seiner Zelle das Leben genommen haben! Wissen Sie was davon?«
    »Jetzt übertreibst du aber, du lebst doch noch!«
    »Bis jetzt schon! Ich meine, wird das auch so bleiben?«
    »Also, mir ist nichts gegenteiliges bekannt.«
    Wir sind wieder bei meiner Zelle angekommen. Manfred öffnet die dicke Eisentür. Der Gestank in meiner Zelle ist umwerfend, aber ich gehe trotzdem rein. Manfred flüstert:
    »Ich werde jetzt mal ein Auge zudrücken, wenn du beide Augen zudrückst.«
    »Sie meinen, ich darf jetzt wirklich schlafen? So richtig im Liegen?« wundere ich mich.
    »Ja, ja, aber nicht so laut schnarchen. Ich weiß auf jeden Fall von nichts.«
    »Keine Angst, die Ratten sind sowieso lauter als ich. Und der Lärm vom Radio übertönt ohnehin alles.«
    Manfred schließt von außen alle Schlösser sorgfältig wieder ab. »Danke«, rufe ich ihm aus dem Guckloch hinterher. Ich bin überglücklich, ja fast melancholisch. Ich durfte ein richtiges Klo benutzen. Ich darf schlafen. Ich werde nicht ständig geweckt. Es gibt doch noch gute Menschen hier in der Hölle. Zufrieden und genussvoll strecke ich mich auf meiner Zementpritsche aus. Und bekomme fast einen tödlichen Schreck. In der Dunkelheit sehe ich, wie jemand neben dem Plumpsklo steht. Eine riesengroße, dicke, fette Ratte. Fast so groß wie Hatice! Sie steht auf ihren Hinterbeinen und starrt mich mit großen Augen

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