Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Brust aufsteigen wollte.
»Dann ist es sicher gut, wenn Sie sich noch mal so richtig erholen«, meinte Lotti Dormann fürsorglich.
»Das werde ich bestimmt. Was kann man denn hier Nettes unternehmen?«
Es klirrte leise. Lena von Dünen balancierte auf einem Tablett den Nachtisch herein. Frische Himbeeren mit Sahne.
»Wenn das Wetter gut ist, machen wir immer ganz tolle Radtouren«, sagte Frau Huber. »Meistens am Nord-Ostsee-Kanal. Für meinen Mann ist das immer so spannend. Er ist Ship-Spotter.«
»Was ist er?«
»Er fotografiert alle Schiffe, die er noch nicht in seiner Sammlung hat. Darüber tauscht er sich mit anderen Spottern im Internet aus.«
»Ich mache Jagd auf Kreuzfahrtschiffe!« Hermann Huber fuhr mit dem Dessertlöffel in einer furchterregenden Geste durch die Luft. »Inzwischen habe ich die meisten Schiffe beisammen, die in den letzten zehn Jahren hier durchgefahren sind.«
Island nickte beeindruckt.
»Und ich male die schönsten davon in Öl«, sagte Rita Huber nicht ohne Stolz. »Das ist meine Leidenschaft. Die Bilder verkaufen sich super, wenn mein Mann mir eine Ausstellung in seiner Bank organisiert. Nicht wahr, Hubi?«
Herrmann Huber löffelte sich Himbeeren in den Mund und antwortete nicht.
»Faszinierend«, sagte Island. Bei den Hobbys fremder Leute kann man immer noch dazulernen, dachte sie. Man lernt sozusagen nie aus.
»Ich bin eigentlich wegen meinem Hund da«, übernahm Lotti Dormann das Wort. »Er kann hier völlig frei herumlaufen. Und bei mir bewirkt ein Aufenthalt in dieser Landschaft immer wahre Wunder an Inspiration.«
Für Kinder und Hunde ist dieses Gut offenbar der Inbegriff der Freiheit, dachte Island. Die Lieblinge sollten nur dem Natodraht nicht zu nahe kommen.
»Frau Dormann schreibt nämlich Bücher«, sagte Rita Huber spitz.
»Tatsächlich?« Island täuschte Ergriffenheit vor. Solch eine illustre Gesellschaft hatte nun wirklich nicht jede beliebige Frühstückspension zu bieten. Am liebsten hätte sie schon wieder losgekichert.
Frau Dormann winkte ab, sah aber sehr geschmeichelt aus.
»Reiseführer?«, fragte Island. Das war die einzige Literatur, mit der sie sich einigermaßen auskannte.
»Nein, Liebesromane.«
»Kann man davon leben?« Island wusste nicht, warum ihr diese Frage herausgerutscht war. Aber was sollte sie eine Autorin fragen, deren Werke sie nicht kannte, ja, von der sie noch nie etwas gehört hatte? Konnte der zukünftige Kindsvater Lorenz etwa von seiner Kunst leben? Würde er das jemals können? Auch bei Frau Dormann war zu vermuten, dass sie nicht vom Schreiben, sondern von irgendwelchem irgendwie angehäuften Geld zehrte.
»Ich habe eine kleine Erbschaft gemacht«, bestätigte Lotti Dormann offenherzig. »Das gibt mir den nötigen Freiraum.«
Vielleicht erbt Lorenz ja auch mal was, dachte Island bitter. Sie sollte ihn bald anrufen und fragen, warum er sich nicht meldete.
»Was haben Sie denn für Hobbys, Frau Island?«, wechselte Rita Huber das Thema und schien nicht zu bemerken, dass Frau Dormann ihr einen wütenden Blick zuwarf.
»Meine Hobbys im Moment sind essen und schlafen«, antwortete Island. »Aber sagen Sie mal, womit kann man sich denn hier im Urlaub sonst noch beschäftigen?«
Lena von Dünen war in die Tür getreten. Sie hatte dem Gespräch ihrer Gäste schon eine Zeit lang interessiert, aber schweigend zugehört. Ein melancholischer Zug lag auf ihrem Gesicht. Jetzt schien sie nervös zu werden.
»Hat es Ihnen geschmeckt?«, fragte sie schnell.
Allgemeines Nicken.
Sie drehte sich um und verschwand in der Küche.
»Also, Ihr Vorgänger an diesem Tisch, Jon Theissen, war hier, um seine Vorfahren zu erforschen«, sagte Lotti Dormann mit gesenkter Stimme.
»Ein Heimatforscher?«, fragte Island überrascht. Irgendetwas klingelte in ihrem Kopf, aber ihr fiel auf die Schnelle nicht ein, was ihr diese Information sagen sollte.
»Familienforschung nennt man das wohl«, stellte Herrmann Huber klar. »Er war deswegen oft im Gutshof drüben bei den Herrschaften.«
Der kleine Hund von Lotti Dormann wurde unruhig. Sie hob ihn auf ihren Schoß und streichelte ihn beruhigend, aber das Tier fing an zu zappeln. Wahrscheinlich wartete er dringend auf seinen Abendspaziergang und musste nun auch noch die Liebkosungen durch sein Frauchen ertragen. Schließlich begann er zu winseln.
»Die haben da eine tolle alte Bibliothek im Herrenhaus«, sagte Rita Huber. »Wir haben das Anwesen neulich erst besichtigt.«
»Ach, kann man
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