Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Süßwasserfischen, während Lorenz ihr mit der Gabel ein Stück Kohlroulade zum Probieren herübergereicht hatte. Ein schöner Traum, denn schon fiel ihr ein, dass Lorenz beides, Süßwasserspeisefische wie Kohlrouladen, verabscheute.
Ihr Magen knurrte, und ihr war übel. Sie wuchtete sich aus dem Bett und durchwühlte ihren Rucksack. Zum Glück fand sie in der Seitentasche einen Apfel. Sie machte es sich wieder im Bett gemütlich und verputzte ihn auf der Stelle. Er half fürs Erste gegen das flaue Gefühl im Magen. Wie kann einem schlecht sein, während man gleichzeitig Hunger hat?, fragte sie sich zum wiederholten Mal. Ob das jemals wieder aufhörte?
Draußen krächzte eine Krähe in voller Morgenlautstärke. Trotz Helligkeit und Vogellärm hatte sie fast elf Stunden geschlafen – etwas, was sie bis vor einem halben Jahr für undenkbar gehalten hatte. Sechs Stunden Schlaf pro Nacht hatten sonst immer gereicht.
Sie fingerte nach den verhassten Kompressionsstrümpfen und zwängte ihre Beine hinein. Elender Quälkram, dachte sie, und schöner machen sie einen auch nicht.
Um neun Uhr betrat sie das Speisezimmer. Die Hubers hatten ihr Frühstück beendet, unterhielten sich aber noch mit Frau Dormann, die gerade mit spitzen Fingern ein Ei pellte.
Auf den Tischen standen je zwei Thermoskannen, eine mit Kaffee, eine mit heißem Wasser. Auf der Anrichte gab es eine Auswahl an Teesorten. Island hatte sich einen Beutel Ingwertee selbst mitgebracht und goss ihn sich mit heißem Wasser auf.
»Aha«, sagte Frau Dormann, »Sie haben einen ganz erlesenen Geschmack.«
Island hatte keine Lust auf Erklärungen am frühen Morgen. Deshalb nickte sie nur und nahm sich zwei Brötchen. In den nächsten Minuten war sie ausschließlich mit Essen beschäftigt. Butter, Marmelade, Käse und die Brötchen, alles schien selbst gemacht, und es schmeckte ihr so gut, dass sie sich noch ein weiteres Brötchen schmierte und heimlich in ihrer Rocktasche verschwinden ließ.
»Also, ich für meinen Teil möchte mir heute oder morgen gern das Gutshaus ansehen.« Frau Dormann goss sich Kaffee nach.
»Da würde ich glatt mitkommen«, sagte Island kauend.
»Warum nicht? Wann passt es Ihnen denn?«
»Ich müsste noch etwas einkaufen fahren. Ansonsten habe ich nichts weiter vor.«
»Kaum angekommen, schon gleich wieder shoppen?«, fragte Frau Huber neugierig.
»Ingwertee gegen die Übelkeit«, erklärte Island.
»So etwas bauen die hier nicht an.« Herr Huber lächelte, als er sich vom Tisch erhob.
»Aber sonst ja fast alles.« Frau Huber kicherte, während sie ihrem Mann folgte.
»Was haben die denn damit gemeint?«, fragte Island, nachdem das Paar gegangen war.
Lotti Dormann zwinkerte vertraulich. »Sagen Sie mal, Frau Island, wollen wir uns nicht duzen? Ich bin Lotti.«
»Olga.«
Sie gaben sich feierlich die Hand.
Dann senkte Lotti Dormann ihre Stimme.
»Letzte Woche«, sagte sie leise, »haben die Hubers auf einer Radtour eine Hanfplantage auf einem der gutseigenen Äcker entdeckt. Sie haben eine große Sache daraus machen wollen. Aber der Verwalter hat gleich reagiert und das ganze Zeug umgemäht. Angeblich hat er nicht herausfinden können, wer die Pflanzen dort angebaut hat. Aber mal ganz ehrlich, es muss doch eins von den Pferdemädchen gewesen sein oder dieser Stallknecht, Petersen heißt er. Von Dünen hat jedenfalls alles untergepflügt, damit war die Sache erst mal erledigt. Hätte bloß gefehlt, dass die Polizei davon Wind kriegt. Ich denke, von Dünen hat den Tüx gar nicht erzählt, was man Schlimmes auf ihrem Gelände gefunden hat.«
»Dann war es hoffentlich nicht deren Plantage«, sagte Island trocken.
»Was denkst du denn?«, fragte Frau Dormann entrüstet.
Olga Island sah durchs Fenster. Draußen vor dem Haus stand Lena von Dünen und unterhielt sich mit den Hubers. Sie hatten bunte Fahrradhelme auf dem Kopf und ihre Fahrräder schon dabei.
»Frau von Dünen hat ihren Laden gut im Griff«, meinte Island. »Das Essen schmeckt jedenfalls vorzüglich. Aber sie sieht manchmal so ein bisschen unglücklich aus.«
»Tja, ehrlich gesagt, kenne ich sie noch nicht so lange. Vorher war hier ein älteres Ehepaar für die Verwaltung zuständig. Mit denen war ich so gut wie befreundet. Jedenfalls hat Lena von Dünen im letzten Sommer wesentlich fröhlicher gewirkt als jetzt. Sie hat es aber auch nicht leicht. So viel Arbeit, und dann das kranke Kind.«
»Was ist denn mit dem Mädchen?«
»Die Familie von Dünen hatte wohl
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