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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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mal einen schweren Unfall, als ihre Tochter fast noch ein Baby war. Das Kind wurde dabei im Autositz eingeklemmt. Die Frau, die ihnen die Vorfahrt genommen hatte, besaß nicht mal einen Führerschein. Zum Glück ist den restlichen Insassen im Wagen damals nichts Schlimmeres passiert.«
    »Furchtbar.«
    »Ja, das Mädchen muss immer noch behandelt werden. Jon Theissen hat immer ganz süß mit ihr im Garten gespielt.« Frau Dormann seufzte bei dem Gedanken.
    »Warum sind denn die alten Verwalter nicht mehr da? Hatten Sie sich mit dem Gutsbesitzer überworfen?«, fragte Island.
    »Keine Ahnung. Vor drei Jahren hat ja der Besitzer gewechselt. Peter von Dünen ist gelernter Biobauer. Das schien den Tüx wohl wichtig zu sein.«
    »Gab es denn schon immer diesen Zaun, der um das ganze Gelände herumführt?«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Die Tüx sind so reich. Sie wollen sich einfach sicher fühlen, wenn sie Urlaub machen. Das kann man schon verstehen. Es sollen eben keine Un-holde hereinkommen.«
    Und keine hinaus, dachte Island und trank stumm ihren restlichen Tee.

23
    P aul-Walter Tüx saß auf der Terrasse und rührte in seinem Milchkaffee. Er beobachtete Petersen, der unten auf dem Rasen hin und her lief und den Pool schrubbte. Nicht, dass in diesem Jahr schon irgendeiner von ihnen darin gebadet hätte, nicht mal seine Mutter hatte dort ihre Bahnen gezogen. Der Pool war nur eine ihrer Launen gewesen. Sie hatte ihn anlegen lassen, weil alle ihre Freundinnen auch einen hatten. Nun lag er da, neonblau und still, und wenn der Wind darüberstrich, trug er den schwachen Geruch von Chlor bis auf die Terrasse.
    Paul-Walter nahm sich eine Zimtschnecke und biss hinein. Die neue Köchin war ganz okay, auch wenn ihr Mann, der Verwalter, ein wortkarger Typ war, der leider die Eigenschaft besaß, überall auf dem Grundstück plötzlich wie aus dem Nichts aufzutauchen. Es wäre besser gewesen, wenn sein Vater den alten Verwalter nicht ausgetauscht hätte. Der Neue passte nicht hierher, er war ehrgeizig und überengagiert.
    Von seinen Freunden war noch nichts zu sehen. Sie alle waren wieder erst gegen Morgen ins Bett gekommen, da war es kein Wunder, dass sie noch schliefen. Das war gerade das Entspannte an einem Urlaub mit seinen Eltern: Sie achteten nicht besonders darauf, was ihre Gäste trieben, denn sie waren mit sich selbst und ihren Angelegenheiten beschäftigt. Das gab allen Anwesenden den nötigen Freiraum.
    Die Zimtschnecke war für eine Bioköchin erstaunlich süß. Fast als wäre sie mit normalem Industriezucker hergestellt worden. Er kaute mit Genuss und legte entspannt den Kopf in den Nacken. Nur noch wenige Tage, dann würden sie endlich loslegen, und nichts und niemand würde sie aufhalten. Da störten ihn nicht einmal mehr die Pflichten, die sein Vater ihm mal wieder aufgehalst hatte. Am Nachmittag sollte er schon wieder zwei Gäste der Verwalterin durch das Haus führen. Kontakt zum Volk halten, so nannte Dad das. »Da kannst du zeigen, was du in Geschichte draufhast.«
    Paul-Walter Tüx spülte die Zimtschnecke mit einem Schluck Milch hinunter. Neulich erst hatte er dem Paar, das drüben beim Verwalter Ferien machte, das Haus gezeigt. Sie hatten geglotzt wie die Fische und in vermeintlich unbeobachteten Momenten alles Mögliche heimlich angefasst. Und wie sie gestaunt hatten, über den alten Plunder und den ganzen beschissenen Reichtum.
    Was sollte das wohl bringen mit den Hausführungen? Warum zeigte sein Vater den Leuten nicht selbst sein Haus, wenn es ihm so viel gab, die einfache Bevölkerung an seinen Schätzen teilhaben zu lassen? Nun, er konnte seinen Vater nicht ändern. Deshalb würde er tun, was ihm aufgetragen worden war. Er würde den Feriengästen das Haus zeigen, ihre Fragen beantworten und ihre Blicke ertragen, um sich danach sofort wieder den wichtigen Dingen des Lebens zu widmen. Dem Projekt. Ihrem Projekt. Seinem Projekt.
    Er lächelte. Es war nicht schwer gewesen, die anderen zum Mitmachen zu überreden. Denn genau wie er selbst sehnten sie sich nach etwas Besonderem. Surfen, Segeln, Wasserski, Ballonfahren, Segelfliegen, das konnte jeder. Und fast alle hatten es schon gemacht. Was sie aber jetzt planten, war etwas völlig anderes. Manche Leute seilten sich von Hochhäusern ab, sprangen von Fernsehtürmen oder von Brücken. Wieder andere fuhren mit Baumaschinen auf Bauplätzen herum und spielten Baggerfahrer. Da durfte jeder, der ein bisschen Geld hinblätterte, mal die schweren Maschinen

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