Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
und der Staatsanwalt Harald Lund, der trotz der Hitze wie immer in dunklem Maßanzug erschienen war. Außerdem waren der Leiter der Kripo Kiel, Klaus Arbit, und der Chef der Bezirkskriminalinspektion, Hugo Clausen, gekommen und verströmten einen ganz und gar unangenehmen und unsommerlichen Ernst.
Allen Anwesenden war klar, dass die nächsten Stunden hektisch werden würden. Die Suche nach Henna Franzen sollte offiziell um sechzehn Uhr beginnen. Die Hundertschaft aus Eutin machte sich bereit, und aus Hamburg war ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera angefordert. Die Aktion sollte am Ortsausgang von Groß Nordsee beginnen und sich über das gesamte Spülfeldergebiet diesseits und jenseits der Autobahn erstrecken.
Thoralf Bruns ergriff das Wort.
»Wir haben heute keine überflüssige Zeit zu verlieren und werden daher straff vorgehen«, sagte er. »Als Erstes fasst Falk Taulow die Ergebnisse zum Thema Ostuferhafen zusammen.«
Taulow schlug seine Aktenmappe auf. »Nach Auswertung aller Überwachungsgeräte am Fähranleger und an der Verladerampe im Brunsbütteler Pantolon-Werk sowie nach Überprüfung aller Zeugenaussagen sind wir zu folgenden Schlüssen gekommen: Das Auslaufen des Toluols aus dem Transporttank war kein Sabotageakt. Anscheinend ist es einer Unachtsamkeit geschuldet, die durch den ernormen Zeitdruck beim Befüllen des Tankwagens und beim Abtransport zustande kam. Das Ventil, das immer einem gewissen Verschleiß unterliegt, war undicht geworden. Die Leckage hätte bei sorgfältiger Routinekontrolle auffallen müssen, doch die abschließende Kontrolle am Werksausgang wurde ausgelassen, damit der Transporter die Fähre in Kiel noch erreichen konnte. Dadurch ist bereits beim Transport nach Kiel eine größere Menge der Chemikalie auf die Straße getropft. Laut Aussagen der Spezialisten von der Feuerwehr hat sich das Zeug dort aber schnell wieder verflüchtigt.«
»Und die Bevölkerung?«, warf Karen Nissen ein. »Was ist mit den Leuten, die an den Straßen wohnen, wo der Transporter entlanggefahren ist?«
»Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Gefahr.«
»Wer sagt das?«
»Die Chemiefirma.«
»Na, da habt ihr ja die Richtigen befragt. Und denen soll man glauben?«
»Frau Nissen«, fiel Klaus Arbit ein. »Darum geht es jetzt wirklich nicht.«
Karen Nissen verstummte errötend.
»Beim Erreichen des Anlegers im Ostuferhafen ist der defekte Tankwagen auf den Wartestreifen gefahren«, berichtete Taulow weiter. »Kurz darauf ist Carlos Petruschki, dem Lkw-Fahrer dahinter, aufgefallen, dass es aus dem Ventil des Gefahrguttanks tröpfelt. Petruschki wollte den Gefahrgutfahrer, Xaver Breuer, darauf aufmerksam machen, der aber offenbar panische Angst hatte, aufgrund der Verzögerung seinen Job zu verlieren. Der Mann hatte schon eine Abmahnung erhalten, weil er Termine wegen technischer Mängel an seinem Fahrzeug nicht einhalten konnte. Und so ein Ventil lässt sich bei gefülltem Tank nicht einfach austauschen. Er hätte also sofort die Feuerwehr alarmieren müssen. Dieser Einsatz hätte seine Abfahrt nach Kotka in Finnland verhindert, und er hätte eine ganze Woche auf die nächste Fähre warten müssen. Das wollte er in dieser Situation offenbar um jeden Preis vermeiden.«
Konnte Taulow nicht etwas schneller reden?, dachte Island ungeduldig.
»Deshalb kam es zum Streit und schließlich zu der Prügelei. Einige der Beteiligten kamen dabei mit dem ausgelaufenen Gift in Kontakt. Das Ergebnis ist bekannt.«
»Stimmt es, dass das Toluol an ein Plastikflaschenwerk in Finnland geliefert werden sollte?«, fragte Island nach.
»Exakt.«
»Gehört das Werk vielleicht zum Firmenkomplex von Theodor Tüx?«
»Tüx ist über eine international tätige Gesellschaft an dem Werk beteiligt.«
»Und die Pantalon-AG aus Brunsbüttel, gehört die auch dazu?«
»Richtig.«
Klaus Arbit, der Leiter der Kripo, unterbrach die Unterhaltung. »Ich muss Sie dringend bitten, bei den Mordfällen rund um den Sommersitz des Herrn Tüx absolutes Fingerspitzengefühl walten zu lassen.«
Alle sahen ihn überrascht an, nur Jan Dutzen grinste in sich hinein, als wunderte ihn die Bemerkung kein bisschen.
»Ich weiß, es klingt klischeehaft«, fuhr Arbit fort, »deshalb sage ich es auch überhaupt nicht gern. Aber von ganz oben, aus den Spitzen der Politik, kommt der dringende Hinweis, dass wir unbedingt berücksichtigen sollten, was Herr Tüx für das Land Schleswig-Holstein bedeutet. Das heißt nicht, dass wir nicht
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