Kann denn Fado fade sein?
haben.
»Das ist ja furchtbar! «, ich kann es nicht fassen. »Wie im Mittelalter! Dusche und Toilette gibt es dann auch nicht?«, frage ich nach.
»Natürlich nicht! Und sie waren sehr erstaunt«, erzählt Katharina, »als wir vor einigen Jahren hierhergezogen sind und das Haus gebaut haben. Natürlich haben wir Wasseranschluss, Badezimmer und Toilette. Hier gibt es ›Wasser aus der Wand‹ haben sie der Müllerin erzählt und konnten es nicht fassen, dass man im Haus auf die Toilette geht. Nach und nach haben dann alle Nachbarn uns besucht und dieses Wunder bestaunt.«
Ich bin fassungslos: »Und wohin gehen sie, wenn sie mal müssen?«
»Sie haben eine Art Plumpsklo«, berichtet Katharina, »das war früher überall auf dem Land so – auch bei uns in Deutschland. Heute erlebst du ›Portugal von innen‹ – so wie es Touristen nie und kaum ein residente jemals kennenlernen.«
»Natürlich interessiert es mich, wie man hier lebt«, meine ich. Aber so völlig ohne Anschluss an moderne Zeiten?
Was ich ebenfalls furchtbar finde: »Die Leute auf dem Land sind wirklich arm. Ich kenne das ja von meiner Beinahe-Schwiegermutter in Coruche.«
»Täusch dich nicht«, meint Katharina, »Dona Augusta hat zwar keinen Wasseranschluss, und sicher kann sie nicht lesen und schreiben, aber sie gilt als reiche Frau. Neben dem Land gehören ihr zwanzig cabeças – zwanzig Köpfe, das ist der Zahl der Kühe, die sie ihr Eigen nennt.«
»Portugal von innen« – hier denkt man wirklich anders.
»Auch mit ihrem Besitz an Land ist Dona Augustanicht arm«, sagt Katharina , »ganz im Gegenteil. Sie kennt ja das ›bessere‹ Leben: Ihre Tochter und zwei Söhne wohnen in modernen Häusern in Odemira. Aber sie will das nicht. Viele der alten Nachbarn hier im Umkreis denken genauso – die würden das gewohnte Leben auf ihren Höfen vermissen und sich nicht wohlfühlen!«
Mich beeindruckt, wie herzlich und gastfreundlich ich aufgenommen werde. Wie selbstverständlich es ist, einen weiteren Esser am Tisch zu haben. Nicht nur heute, ich habe das viele Male erlebt.
Dona Augustaweiß sicher, dass wir bei der Verarbeitung des toten Schweins keine große Hilfe sind. Aber Katharina und Henrique sind Nachbarn, sogar Freunde. Ganz klar, dass die beiden eingeladen werden. Auch zu vielen Festen im engen Familienkreis. Und wenn die beiden Gäste haben, werden sie selbstverständlich dazugeholt.
Wie weit sich die Gastfreundschaft erstreckt, merke ich am übernächsten Tag, als ich wieder abreise. Dona Augusta ist extra morgens, schon vor dem Frühstück, zum Haus von Katharina und Henrique den Berg hochgelaufen. Über Stock und Stein, mal eben ein paar Kilometer. In der Hand einen Beutel mit Brot und dazu drei große Bauern- chouriços . Als Andenken an das Schweinewochenende im Alentejo, sagt sie. Und ich werde herzlichst eingeladen, bald wieder mal vorbeizukommen.
Man schlachtet nicht nur Schweine im Alentejo. Auch ein Zicklein schmeckt ausgesprochen lecker. Mein nächster Besuch bei Katharina und Henrique ist also unumgänglich.
»José hat uns endlich die Ziege vorbeigebracht«, sagt Henrique, »die er uns vor Monaten versprochen hat. Na ja, es ist natürlich eher ein Zicklein. Also – wie sieht es aus? Wann kommst du wieder auf unseren Berg?«
Geschmortes Zicklein? Na, wenn das kein Grund ist, zu einem weiteren Freundesbesuch aufzubrechen …
Langwierige Beratungen per Telefon und Internet gehen dem Besuch voraus: Wie soll das Zicklein mariniert werden? Klar: Knoblauch und Kräuter sind ein Muss. Aber sonst? In Weißwein oder in Rotwein? Was gibt es dazu?
Fragen über Fragen – doch die wichtigste: Wer zerteilt das Tier? Es war nämlich »im Ganzen« von José vorbeigebracht worden.
Es ist ein Glück, dass man schon nach kurzer Zeit in Portugal cunhas hat. Im Alentejo und unter residentes ist das natürlich nicht anders. In diesem Fall kennt man also einen, der einen anderen kennt, der von jemandem weiß, dessen Nachbar Schlachter ist. Ein kurzes Telefongespräch bestätigt die ganze Sache: Schlachter Klaus wurde eingeladen, das Zicklein in bratenfertige Stücke zu zerteilen. Dafür wird ihm ein Abendessen als Lohn in Aussicht gestellt.
Katharina hat sicherheitshalber eine scharfe Axt besorgt. Man weiß ja nicht, welche Gerätschaften man so braucht. Schlachter Klaus kommt zeitgleich mit mir bei Katharina und Henrique an. Selbstverständlich mit passendem Handwerkszeug: einem sehr scharfen Messer (so eines hätte ich gern mal
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