Kann denn Fado fade sein?
bicho – »das Tier töten« sagen die Portugiesen dazu, und dieses vormittägliche Schnäpschen finde ich durchaus lecker: Es schmeckt eher wie Likör und ist, wie Katharina mir gleich erzählt, medronho – Schnaps vom Erdbeerstrauch. Natürlich illegal gebrannt, aber das schmeckt man ja glücklicherweise nicht. Dona Augustas medronho com mel ist, sielässt mich natürlich gleich probieren,mit Honig und Kirschen verfeinert.
Ah – deshalb der likörigsüße Geschmack. Lecker.
Endlich geht es zu Tisch.
»Es gibt Leber«, flüstert Katharina mir zu. »Du brauchst nichts davon zu essen, wenn du nicht magst. Aber greif bei allem anderen zu.«
Ich habe kein Problem mit Innereien – im Gegenteil. Iscas – in Rotwein mit Knoblauch und Lorbeer geschmorte Leber – gehört in Portugal zu meinen Lieblingsgerichten. Ob vom Kalb oder vom frisch geschlachteten Schwein – Hauptsache, es schmeckt.
Gekochtes Huhn steht auf dem Tisch – wahre Berge. Reis mit Bohnen. Ein riesiger Topf. Natürlich selbst geräucherte rote und fast schwarze chouriços . Eingelegte Oliven – ohne die gibt es keinen gedeckten Tisch in Portugal. Dicke duftende Scheiben von frisch gebackenem Brot.
Dona Augusta backt selbst, und sie lässt es sich nie nehmen, Katharina und Henrique und glücklicherweise auch mich, wenn ich zu Besuch bin, mit mindestens einem riesigen und knusprigen Brotlaib zu bedenken.
Es gibt vinho tinto , alle sitzen gemütlich zusammen und unterhalten sich blendend. Für den Verdauungsschnaps ist ebenfalls gesorgt, denn Dona Augustahat auch »richtigen« Selbstgebrannten (sie bekommt selbstverständlich ihren Ernteanteil an medronho -Früchten von Senhor Henrique als Schnaps zurück). Das Schnäpschen ist ein Muss vor der Arbeit, die Katharina und mich gleich erwartet.
Unser Job ist es nämlich, das frische Schweinefett in kleine Würfel zu schneiden. Die braucht man zur Herstellung der Wurst. Hausgemachte chouriços sind etwas Feines. Sie werden im Küchenkamin geräuchert, und der Hausherr, Senhor António, sitzt bereits parat: Er ist für Feuer und Rauch zuständig.
Katharina und ich hocken uns auf niedrigen Stühlen gegenüber, balancieren zwischen uns ein großes Hackbrett auf den Knien und schnibbeln und schnibbeln. Kleine Würfel. Nicht zu klein, aber auch nicht zu groß. Der eine oder andere medronho com mel zwischendurch hilft bei der Arbeit. Dona Augusta ist nämlich der Meinung: »Nur wer etwas trinkt, kann auch gut arbeiten!«
Anfangs graust mir ein bisschen – ich gebe es zu. Dann aber stelle ich fest: Das frische Fett riecht überhaupt nicht unangenehm. Und später merke ich: Es macht eine babypopo-zarte Haut …
Leider bringt Dona Augusta nicht nur etliche Gläschen medronho , sondern immer wieder Schweinefett-Nachschub. Fast drei Stunden sitzen wir da und würfeln. Ich kann gut nachvollziehen, warum Henrique schon allein beim Gedanken daran Rückenschmerzen bekam. Wobei er sicher eher bei den Männern wäre und am Expertengespräch teilnehmen würde. Schweinefett zu würfeln ist nämlich Frauenarbeit. Ebenso wie das Waschen der Därme. Das wird von Dona Rosa und Dona Vitória erledigt: Immer wieder müssen die Eingeweide mit Wasser, Zitrone und Essig ausgespült werden. Schließlich werden daraus dann die chouriços caseiros, die hausgemachten Würste, gemacht.
Neugierig bin ich ja schon, wie Dona Augusta und Senhor António auf ihrem kleinen Bauernhof leben. Sie führt mich stolz herum, zeigt mir alle Räume. Wie damals, in Coruche, bei Dona Deolinda, bin ich geschockt. Ich kann es mir nicht vorstellen, so zu leben. Ich war schon beim Besuch bei Antónios Mutter entsetzt. Aber Dona Deolinda wohnt luxuriös im Vergleich zu dem, was ich heute sehe: kein Bad, keine Toilette, kaum Fenster im Haus, alles eng und dunkel. Es gibt zwar Strom und Telefon. Aber Wasseranschluss?
»Gibt es nicht«, sagt Katharina. »Dona Augustageht ins Tal und holt sich Wasser von der Quelle. Das schleppt sie dann nach oben zum Haus!«
»Ja aber«, ich bin entsetzt, »wie wäscht sie, wie spült sie ab?«
»Mit dem kalten Quellwasser«, sagt Katharina, »warmes Wasser gibt es nur, wenn sie es kocht. Alles andere erledigt sie mit kaltem Wasser – auch das Geschirrspülen.«
Mittlerweile ist Dona Augusta schon über achtzig und ihr Mann António ebenfalls. Deswegen füllt Henrique jetzt meist Wasser vom eigenen Brunnen in Fünfliterflaschen und bringt es den Nachbarn im Jeep vorbei, damit sie es ein bisschen einfacher
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