Kann denn Fado fade sein?
abgrenzt. Hier gibt es keinen Stress, nicht einmal eine richtige Internetverbindung. Selbst telefonieren ist manchmal eher schwierig. Ich komme gern hierher – hier ist man ungestört von der Alltagshektik, lässt die Seele baumeln. Diesmal aber haben wir etwas vor.
»Unsere Nachbarn werden schlachten«, sagt Katharina. »Wir sind eingeladen. Ich kann und möchte das nicht ablehnen. Du weißt ja: Hier wird Gastfreundschaft groß geschrieben, da kann man sich nicht ausschließen.«
Möchte ich auch gar nicht. Schließlich bin ich neugierig – zumindest, wenn ich nicht direkt zuschauen muss, wie die Schweine umgebracht werden.
»Keine Sorge«, meint Katharina, »die sind bestimmt schon tot, wenn wir kommen. Aber es kann sein, dass wir ein bisschen helfen müssen.«
»Helfen? Wobei?«
»Das Schweinefleisch wird ja gleich verarbeitet. Und da ist wohl eine ganze Menge zu tun.«
Katharinas Mann beschließt daraufhin, sich ein gar furchtbares Leiden zuzulegen, am besten Rückenschmerzen, damit er nicht dabeisein muss. Henrique verspricht aber wenigstens, uns bei der Rückkehr mit selbst gebranntem medronho zu versorgen.
»Sag mal«, wende ich mich an Katharina, »mir graust es jetzt doch ein bisschen. Wobei bitte soll ich helfen?«
Soll ich mich etwa beim Wursten nützlich machen?
Aber weigern – das erklärt mir Katharina sofort – geht absolut nicht. In Portugal gibt es ein Sprichwort, das man niemals vergessen darf, meint sie: » Na terra onde fores viver, faz como veres fazer . Das heißt in etwa: Wo du leben willst, mach es so wie die anderen.
»Du kannst dich nicht ausschließen«, sagt Katharina. »Beim Schweineschlachten direkt vielleicht schon, das versteht man, dass ein Städter oder ein estrangeiro da nicht zuschauen mag. Aber wenn das Schwein bereits tot ist? Nein, da musst du einfach durch! Zieh dich bloß noch um – am besten alte Klamotten. Oder wenigstens Jeans und T-Shirt!«
Insgeheim entdecke ich soeben, dass ich vielleicht doch besser ab sofort vegetarisch lebe – das könnte jetzt eine Menge Vorteile haben.
Kleine Notiz am Rande:
Es mag Vorteile haben, Vegetarier zu sein. Aber in Portugal ist das etwas schwierig. Zwar gibt es da auch vegetarische Restaurants und Lebensmittel. Aber auf dem Land hat man kein so rechtes Verständnis für diese Lebensweise. Katharina erzählt mir, was sie mal gemeinsam mit Henrique an einem Nebentisch in der Dorfkneipe erlebt hat: Deutsche Feriengäste kommen in die Dorfkneipe, wollen essen und fragen nach vegetarischen Gerichten. Weder der Wirt noch seine Frau, die in der Küche steht, können das begreifen.
»Mag die senhora ein bisschen carne de porco ?«
»Nein danke – kein Schweinefleisch!«
»Gar kein Fleisch?«
»Nein danke – nur Gemüse.«
»Wir hätten da einen leckeren bacalhau .«
»Nein – Fisch bitte auch nicht!«
»Oder doch besser gebratene chouriço ?«
»Nein, bloß nicht! Haben Sie keinen Salat?«
Großes Rätselraten zwischen Wirt und Köchin.
»Jetzt habe ich es: Die senhora isst am besten ein leckeres frango !«
Gebratenes Hühnchen gilt nicht als »richtiges Fleisch« – aber die Gäste wollten es trotzdem nicht. Sie haben dann mit einem tosta com queijo (den es »eigentlich« gar nicht gab, denn normalerweise isst man hier tosta mista – also Schinken-Käse-Toast) endlich ihren Hunger gestillt.
Es gibt noch eine andere Redensart in Portugal: Barriga cheia, cara alegre – Voller Bauch, fröhliches Gesicht.
Beim Schlachten muss man sich den vollen Bauch zwar »verdienen«, wie ich gleich merken werde, aber trotzdem machen alle fröhliche Gesichter. Dona AugustasMann und die Söhne haben gleich zwei porcos pretos (schwarze Schweine) geschlachtet: genügend Fleisch und vor allem Würste für die nächsten Monate. Die ganze Familie – einschließlich der Kinder aus Odemira mit ihren Ehepartnern und Enkeln – ist zusammengekommen, dazu etliche Nachbarn.
Die Männer haben schwer gearbeitet heute Morgen: Die beiden Schweine sind bereits zerlegt. Katharina und ich werden sehnsüchtig erwartet, denn: Ohne uns gibt es nichts zu essen. Von den Vorbereitungen in der Küche fürs Schlachtmahl abgesehen ist noch nichts zu tun.
Erst nach dem Essen, und das steht schon bereit: Dona Augusta, die Hausherrin, Dona Rosa, ihre Tochter und Dona Vitória, die Tante, werkeln seit Stunden in der winzigen Küche fürs Mittagessen. Die Herren stehen derweil draußen und fachsimpeln. Genießen dazu das eine oder andere Glas. Matar o
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