Kann denn Fado fade sein?
es war ein heißer Sommer, und der Regen brachte willkommene Abkühlung?
Ich will jedenfalls endlich ein trockenes Haus. Mir ist es ziemlich egal, ob Dona Isabela irgendwann einmal im Feuchten genächtigt und das anscheinend auch noch genossen hat. Ich will es jedenfalls nicht. Ich genieße es auch nicht.
Verschiedene Nachfragen bei Dona Isabela ergeben: Senhor Marco ist gerade verreist. Wofür ist sie Verwalterin? Kann sie da nicht selbst entscheiden? Schließlich handelt es sich um eine dringend notwendige Reparatur. Nicht um eine erweiterte Luxusausstattung. Sondern um etwas Grundlegendes. Nämlich ein dichtes Dach überm Kopf.
»Das geht nicht, Dona Isabela«, schimpfe ich. »Meine Bücher werden nass, überall riecht es modrig und muffig. Es tropft auf Elektrogeräte in der Küche, auf Fernseher und Stereoanlage. Und – das ist das Schlimmste – auf den Computer. Ich habe es satt, seit Wochen ständig alles mit Müllsäcken und Plastikplanen abzudecken! So kann ich nicht arbeiten! Und wenn ich nicht arbeite, gibt es kein Geld!«
Ah – dieser Satz scheint zu wirken. Es geht um die Mietzahlung. Da wird Dona Isabela plötzlich hellhörig. Nun kommt Bewegung in die Sache. Zumindest ein bisschen.
Es erscheinen zwei Herren, in feine Anzüge gekleidet, die sich, sehr fachmännisch dreinschauend, das Dach von außen und von innen – also innerhalb meiner vier Wände – ansehen.
Kurz vorher hat es zu regnen aufgehört. War ja klar. Man weiß also nicht exakt, an welchen Stellen das Wasser übers Dach einsickert. An den frisch gestrichenen Wänden sieht man es eher. Da fällt jede Wasserschliere auf.
Längere Konferenz im Garten. Erst zu zweit, dann mit Dona Isabela. Danach kommt sie freudestrahlend zu mir: »Morgen kommt jemand zur Reparatur. Sie können sich darauf verlassen.«
Ich lebe lange genug in Portugal (selbst wenn es erst zwei Jahre sind), um zu wissen: Morgen heißt nicht unbedingt morgen. Es kann auch bedeuten: übermorgen. Oder in einer Woche. Oder in quinze dias , was unserem »in zwei Wochen« entspricht. Das wiederum kann heißen: irgendwann einmal. Oder: nie.
»Wie sicher ist das mit ›morgen‹?«, frage ich nach.
»Ganz sicher!«
In diesem Fall habe ich Glück: »Morgen« ist tatsächlich am nächsten Tag. Die beiden Herren steigen mir, diesmal in Arbeitskleidung gewandet, aufs Dach. Was sie da oben genau tun, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sie mit einer Art silberner Folie, die erhitzt werden muss, die undichten Stellen abdecken. Danach kommt – es regnet nämlich gerade mal nicht! – ein ziegelfarbener Anstrich darüber, der nochmals extra Schutz bieten soll.
Der nächste Regenguss zeigt: Es funktioniert. Die Frage ist nur: Wie lange funktioniert es? Zum Glück haben wir erst einmal einige Wochen sonniges Wetter. Aber ich bin auf der Hut. Noch ist der Winter nicht vorbei. Noch kann viel passieren.
Kurz nach Weihnachten beginnt es erneut heftig zu regnen. Nun muss man wissen (ich wusste es vorher nicht), dass man Dacharbeiten nur dann durchführen kann, wenn es nicht regnet. Ich decke vorsichtshalber alles Wichtige im Haus mit Plastik ab. Wenigstens bleibt diesmal das Dach über dem Schlafzimmer heil, ich muss also nicht auf feuchten Matratzen und in klammen Decken schlummern.
Trotzdem kann es so nicht weitergehen, selbst wenn Dona Isabela mittlerweile eine Erklärung anbietet:
»Wissen Sie«, sagt sie, »Senhor Marco ist halt schon ziemlich alt. Und weil er weiß, dass seine Kinder nach seinem Tod die quinta verkaufen werden, möchte er nichts mehr investieren.«
Erst glaube ich, ich hätte mich verhört. Oder ihre Worte falsch verstanden. Dann wird mir klar: Sie meint es wirklich ernst. Ich zweifle nicht nur an meinem, sondern vor allem an Dona Isabelas Verstand.
Kann das mein Problem sein? Wegen der geldgierigen Erben von Senhor Marco soll ich in einem Haus leben, in dem das Wasser die Wände herunterrinnt und das Dach undicht ist?
So kann es nicht weitergehen. Also höre ich ab sofort auf, die Miete zu bezahlen. Ich teile dies vorher ausgesprochen höflich Senhor Marco direkt mit, auf Portugiesisch und Französisch, denn meine Freundin Petra spricht beide Sprachen fließend. Senhor Marco ist, wie ich mittlerweile herausgefunden habe, nämlich kein Portugiese, sondern Franzose.
Es passiert – erst mal – nichts.
Der Regen hört langsam auf. Der Frühling kommt. Es passiert immer noch nichts.
Mitte März kommt Senhor Marco zu Besuch auf die quinta . Natürlich
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