Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
ansehnlich – die Mädchen stehen regelrecht Schlange. Doch um ganz ehrlich zu sein: Andreas ist zwar ein wirklich feiner Kerl, aber keine seiner Beziehungen, welche er immer mal wieder mit einer seiner Verehrerinnen beginnt, war je von Dauer – und natürlich will ich Nina unnötigen Kummer ersparen. Ich glaube, sie weiß ganz genau, was gut für sie ist und was nicht, und wenn sie Andy nicht will, dann hat das seinen Grund. Bei ihr hat immer alles Hand und Fuß und ist gut überlegt. Und selbst wenn sie mal eine Dummheit begeht, ist das ganz genau vorher einkalkuliert worden. Ich dagegen bin ganz anders. Das fleischgewordene Chaos, Miss Planlos. Ich stolpere durchs Leben, hangel mich von einem Tag zum nächsten und weiß meist noch nicht mal, was mich innerhalb der kommenden Stunden erwartet. Das ist auch der Grund, weshalb ich von Ereignissen oft einfach überrollt werde und dann Schwierigkeiten habe, meinen platt gewalzten Körper wieder von der Straße zu kratzen. Aber bisher habe ich es immer irgendwie geschafft, wenn auch meine Freunde regelmäßig mit dem einen oder anderen Spaten nachhelfen mussten. Ja, es ist naiv, darauf zu vertrauen, dass ich dabei immer davonkomme. Aber so bin ich nun mal: verpeilt, aber zufrieden. Zumindest bis jetzt.
Ich stehe vor der Tür der Jungs-WG, auf der Fußmatte mit der Aufschrift‚ »Tritt ein und bring Bier herein«, und drücke den Klingelknopf. Wie hat Mario Barth so schön gesagt? Männer sind primitiv, aber glücklich. Ich muss grinsen. Da geht die Tür auf.
»Hallo, Vicky. So gut drauf heute?«
»Hi, Stephan.« Ich schiebe mich an ihm vorbei. »Nö, wieso? Hab ich ’nen Grund?«
»Dachte nur, weil du so grinst. Und ja, denn du betrittst soeben das Paradies.«
»Ach ja?«
»Na ja, so viel männliche Intelligenz und Pracht auf einem Fleck, das kann doch nur das Paradies sein.« Stephan grinst ebenfalls und schließt die Tür hinter mir.
»Stimmt. Aber auch nur, weil in der Hölle kein Platz mehr für dein Riesen-Ego war!«, kontere ich. Er grinst amüsiert weiter und beißt von einem riesigen Sandwich ab. Man trifft Stephan so gut wie nie an, ohne dass er irgendetwas Essbares in der Hand hält. Es ist mir ein Rätsel, wo dieser Mann das alles hintut, denn an ihm ist kein Gramm Fett zu viel. Aber wahrscheinlich geht das alles in die Vertikale, denn Stephan ist immerhin 1,90 m groß.
»Ist Jan da?«
»Ja, der ist in seinem Zimmer. Ist gerade von der Arbeit gekommen und hat geduscht …«
»Alles klar!«, meine ich und bin bereits auf dem Weg zu Jans Zimmer. Ich reiße nichtsahnend die Tür auf – und starre genau auf Jans splitternackte und durchaus knackige Rückseite. Ich japse erschrocken nach Luft, er fährt herum – und ich bekomme auch noch den nicht weniger annehmbaren Rest zu sehen. Einen Moment lang stehe ich wie ein von Scheinwerfern geblendetes Reh stocksteif und mit weit aufgerissenen Augen im Türrahmen, bis Jan endlich ein Shirt von einer Stuhllehne reißt und es sich schnell um die Hüften wickelt. Erst dann kneife ich meine Augen zusammen und lege vorsichtshalber noch eine Hand darüber. Wie peinlich!
»Mann, Vicky! Lern doch endlich mal, vorher anzuklopfen, bevor du irgendwo reinschneist!«, höre ich Jans Stimme. Zum Glück klingt sie aber kein bisschen verärgert, eher belustigt. Ich höre Stoff rascheln und einen Reißverschluss sich schließen.
»Du kannst wieder gucken.«
Ich blinzele vorsichtig durch meine Finger hindurch und stelle fest, dass Jan jetzt Jeans und T-Shirt trägt.
»Hat’s dir die Sprache verschlagen?«, fragt er neckend.
»Nein … ähm … gar nicht«, stottere ich und versuche mir mit einer herumliegenden Autozeitung kühle Luft ins Gesicht zu fächern.
»Wir haben uns als Kinder doch auch öfter nackt gesehen!?«, erinnert mich Jan.
»Ja, schon.« Als Kinder ist das ja auch etwas ganz anderes. Ich muss weg von dem Thema! Weswegen war ich noch mal hier?
»Heute Morgen hat es eine kleine Planänderung gegeben«, bemühe ich mich, zum Thema zu kommen.
»Wobei?«, fragt Jan, lässt sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken und beginnt, knisternd Chips aus einer Tüte zu angeln und krachend zu zerbeißen. Warum sind Jungs eigentlich ständig am Essen?
»Als ich in das Büro mit dem Computer für die Kolumnen gekommen bin, saß da die Redakteurin an ihrem Platz und hat auf mich gewartet.«
»Nackt?« Jan grinst breit.
»Nein, nicht nackt!«, gebe ich kühl zurück. Mann, jetzt wo ich das Bild von eben fast
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