Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
verdrängt hatte! Wo war ich? Ach ja.
»Sie hat mir aufgelauert. Und war total aggressiv! Ich sag dir, wenn die da alle so sind, dann wundert es mich, dass ich noch keine Leichenteile im Abfall gefunden habe!«
»Die werden meistens gleich verbrannt, um Spuren zu beseitigen«, gibt Jan ohne mit der Wimper zu zucken zurück. Ich runzle die Stirn, aber er konzentriert sich ganz darauf, weiter Chips zu futtern. Unglaublich, wie die Jungs, die das ungesündeste Zeug in sich hineinstopfen, zugleich die bestaussehendsten sind! Nicht mal Andys kaum zu erahnendes Waschbärbäuchlein schmälert seine Wirkung auf Frauen – außerdem gehört es aus Gründen der Glaubwürdigkeit zu einem Koch auch irgendwie dazu. Aber Stephan und Jan … Muskulös, männlich, gut gebaut … Davon habe ich mich ja auch bei einem von beiden gerade hautnah überzeugen können. Schon wieder breitet sich Gänsehaut auf meinen Armen aus. Was ist nur mit mir los? Als wäre Jan der erste nackte Mann, den ich gesehen hatte! Pah, ganz bestimmt nicht! Da waren mindestens Hunderte vor ihm!
Ich versuche, diese Gedanken zu ignorieren, und erzähle meinem Kumpel vom restlichen Verlauf der Begegnung, die ich am Morgen mit der Redakteurin hatte.
»Mensch, Vicky! Dann hoffe und bete, dass diese Julia wirklich dichthält! Sonst hast du ein echtes Problem!«, meint Jan schließlich, als ich meinen Bericht abgegeben habe.
»Ich habe ihr doch den Arsch gerettet!«, empöre ich mich. »Wie charakterlos muss man sein, um seinen Retter zu verpfeifen?«
»Die Frage ist eher, ob sie dich als Retter oder als Bedrohung sieht. Das ist eine knallharte Branche; da wird mit allen Mitteln gekämpft. Und ihr Frauen seid ja bekanntlich besonders unfair.«
»Hm, da hast du wohl recht«, gebe ich zu, und plötzlich sehe ich die Sache aus einem ganz anderen Blickwinkel. Ich habe viel zu hoch gepokert und meinen Arsch auf Glatteis befördert, anstatt wie geplant Pirouetten darauf zu drehen und dem Sieg entgegenzutänzeln.
»Na ja, wir werden es ja sehen«, unterbricht Jan das Weltuntergangsszenario in meinem Kopf. »Chips?«
Als ich mich wieder auf den Weg zur Haustür mache, um die Jungs-WG und den in ihr herrschenden Wahnsinn zu verlassen, sehe ich aus den Augenwinkeln Andy auf der Terrasse stehen. Ich halte in meiner Bewegung inne und überlege kurz. Soll ich mit ihm reden? Immerhin ist er mein Freund, und er kann doch nichts dafür, dass er in meine beste Freundin verknallt ist. Man sucht sich ja bekanntlich nicht aus, wo die Liebe hinfällt, stimmt’s? Ich seufze und gehe durchs Wohnzimmer zu ihm hinaus auf die Terrasse. Stumm stelle ich mich neben ihn und warte einfach mal ab.
»Na«, sagt er, als er mich bemerkt, und atmet blaugrauen Dunst aus.
»Na«, antworte ich und beobachte entsetzt die Rauchkringel, die sich langsam in der Luft zersetzen. Andy raucht? Seit wann?
»Was verschafft mir die Ehre?«, fragt er mit monotoner Stimme.
»Ich musste mit Jan reden«, erwidere ich. Dabei folgt mein Blick seiner Handbewegung, mit der er die Zigarette an seinen Mund führt, um an ihr zu ziehen. »So wird das aber nichts mit Nina. Sie hasst Raucher!«, erkläre ich dann, atme aus Versehen zu tief ein, kriege eine ganze Rauchwolke in meine Lunge und muss heftig husten.
»Nina hasst mich auch als Nichtraucher«, meint Andy nur ungerührt, und Rauch quillt aus seiner Nase, wie bei einem kleinen Drachen.
»Jetzt lass den Scheiß!«, befehle ich, nehme ihm den Glimmstängel aus den Fingern und zerdrücke ihn in einem Blumentopf. »Lass dich doch nicht so hängen, Herrgott!«
»Was soll ich denn bitte tun?« Jetzt klingt seine Stimme trotzig, wie bei einem Kleinkind. Wie ich so was hasse!
»Erst mal benehmen wie ein Erwachsener! Und vielleicht könntest du als Nächstes mal was für sie kochen!«
»Kochen?«
»Warum nicht? Das kannst du schließlich am besten, keiner kann deinen Kochkünsten widerstehen, oder nicht?«
»Doch, schon …« Nachdenklich fährt sich Andy durch seine kurzen Locken.
»Aber?«, hake ich nach.
»Aber um für Nina zu kochen, kann ich sie ja schlecht entführen und auf einem Stuhl festbinden! Ich muss sie ja erst mal zu einem solchen Abend überreden können.«
»Okay, ich kümmer mich drum. Mach du dir Gedanken wegen des Menüs, und ich erledige den Rest«, verspreche ich feierlich, klopfe Andy aufmunternd auf die Schulter und verschwinde dann wieder im Inneren der Wohnung.
Nur wenige Stunden nach meinem Aufenthalt in der Jungs-WG kümmere ich
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