Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
Jungs abstelle und mich von der guten Musik auf die Tanzfläche zu den vielen anderen Leuten ziehen lasse.
I wanna dance with somebody, dance with somebody, dance, dance, dance … Der DJ macht seinen Job gut, ich bleibe nicht nur den einen Song lang auf der Tanzfläche, sondern wirbele herum – so weit es meine neuen High Heels erlauben – und habe alles andere ziemlich schnell vergessen. So wie auch Stephan und seine neue Flamme, zu denen ich nur ab und zu unauffällig hinschiele, um Tilda besser in Augenschein nehmen zu können. Zweimal werde ich angetanzt, und tatsächlich habe ich Glück: Der letzte Typ ist wirklich ganz ansehnlich. Als David Guetta die Menschen auf der Tanzfläche durchdrehen lässt, schiebt sich plötzlich ein anderer Mann zwischen mich und meinen Tanzpartner.
»Ist auf deiner Tanzkarte noch was frei?« Erstaunt sehe ich Jan an und nicke. Der andere Typ, dessen Namen ich noch nicht mal weiß, versucht wieder, an mich heranzukommen, aber Jan drängt ihn bestimmt von mir ab. Dann macht sich mein Verehrer enttäuscht vom Acker.
»Er war süß!«, rufe ich Jan empört zu, um die Musik zu übertönen.
»Soll ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben?« Er lacht und ich kann ihm nicht böse sein. Wieder sind da diese kleinen Grübchen in seinen Wangen, die mir nach all den Jahren so vertraut geworden sind. Und wieder löst dieser Anblick bei mir ein komisches Kribbeln aus, welches sich unter das übliche Gefühl freundschaftlicher Zuneigung mischt. Doch ich beschließe, mir darum jetzt keine Gedanken zu machen, und genieße es, mit Jan zu tanzen. Trotz der treibenden Beats sind wir uns ganz nahe, die Luft um uns herum ist warm, und mein Top beginnt an meinem Rücken zu kleben. Die Riemchen meiner High Heels graben sich immer tiefer in meine Haut, aber es stört mich nicht. Es gibt nur mich und Jan, nur uns beide, ganz allein zwischen Hunderten von Leuten, einsam in der Menschenmenge. Die blinkenden Lichter um uns herum spiegeln sich in seinen Augen, und Minute um Minute kommen wir uns näher. Wir tanzen zu Black & Gold von Sam Sparro, der Beat wummert durch den Club, kriecht über die Tanzfläche durch unsere Füße in unsere Körper und erfasst jede einzelne Zelle.
And now I ’ m looking for a reason why you even set my world into motion. Ja, genau – irgendetwas setzt meine Welt auch in Bewegung, irgendetwas, was ich mir nicht erklären kann. Was sich leise Stück für Stück anschleicht oder vielleicht auch schon lange irgendwo still gelauert und auf den richtigen Moment gewartet hat. Jan und ich sehen uns an, tief in die Augen, und plötzlich spüre ich seine Hand auf dem Stück freier Haut zwischen meinem Top und meiner Jeans. Die Berührung fühlt sich an wie ein kleiner Stromschlag und jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Cause if you ’ re not really here, then the stars don ’ t even matter. Ich weiß nicht genau, woher dieses Gefühl kommt, aber plötzlich vermisse ich Jan ganz schrecklich. Sein Duft, seine funkelnden Augen, in denen man so tief versinken kann, die Grübchen in seinen Wangen und die kleinen Fältchen um seine Augen herum, wenn er lacht, der zarte Griff seiner starken Hände … Schluck. Ich rutsche noch ein Stück näher an ihn heran und lege meine Hand auf die seine, um ihm zu signalisieren, dass er sie nicht wegziehen soll. Dann stelle ich mich leicht auf die Zehenspitzen und berühre mit meinem Mund ganz sacht seine Lippen.
Als ich einen Moment später wieder nach unten sinke, sehen wir uns an, erschrocken irgendwie. Und in meinem Kopf wirbeln in Sekundenbruchteilen unzählige Gedanken durcheinander: Das ist Jan! Dein bester Freund! Ihr seid zusammen zur Schule gegangen! Hm, wie weich seine Lippen sind! Du darfst ihn nicht küssen! Ich will noch mal! Du setzt eure Freundschaft aufs Spiel! Was er wohl denkt? Du wirst es bereuen! So etwas kann man nicht bereuen!
Ich blende das sich wild drehende Karussell in meinem Kopf aus und sehe ihn abwartend an. Es scheint ihm genauso zu gehen wie mir: Er ficht einen inneren Kampf aus, dann plötzlich zieht er mich fest an sich und küsst mich stürmisch. Und ich denke nicht mal daran, mich dagegen zu wehren.
Nach einer halben Ewigkeit, die mir trotz allem viel zu kurz vorkommt, lösen Jan und ich uns wieder voneinander. Schweigend sehen wir uns an, reglos inmitten einer ausgelassen tanzenden Menschenmenge und umgeben von ohrenbetäubender Musik. Rechts und links rempeln mich Leute an, aber ich spüre es kaum. Und
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