Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
Kaffeebecher.
»Nein, die hatten mich eingeladen! Sie haben mir eine feste Stelle als Kolumnistin angeboten. Weil die Resonanz der Leser so positiv war …«
»Wirklich?« Stephan staunt. Ich nicke und bin selbst auch immer noch ganz platt. »Aber Vicky, das ist ja großartig!«
»Ich weiß, aber ich suche immer noch nach dem Haken.«
»Ach was, hör auf damit!«
»Aber …«
»Kein Aber. Ich dachte, ihr Weiber seid Gefühlsmenschen, nicht so rational wie wir Männer!? Hör doch mal auf deinen Bauch, Vicky!«
»Mein Bauch ist momentan noch sprachlos.«
»Und dein Kopf nicht?«
»Der hat seine Sprache schon wiedergefunden und nimmt seine Rolle als Spielverderber sehr ernst«, erkläre ich und beiße wieder von der Schokolade ab.
Da geht die Tür auf, und Jan kommt in die Küche. Er trägt noch seine schweren Arbeitsschuhe und einen ölverschmierten Overall, über seine stoppelige Wange zieht sich eine Rußspur. Und ganz plötzlich wird mir bewusst, dass mir dieser Kerl doch mehr gefehlt hat, als ich es mir die ganze Zeit eingestehen wollte. Und dass ich wissen will, ob es ihm genauso geht wie mir. Und ob er auch ununterbrochen an mich denken musste. Obwohl ich sitze, habe ich das Gefühl, der Boden unter mir würde nachgeben, und plötzlich erwacht in mir das dringende Bedürfnis, mich in Jans Arme zu werfen. Wie schön wäre es, einfach nicht mehr über all die Komplikationen, die ein weiterer Kuss mit sich bringen würde, nachdenken zu müssen, nicht auf Stephan und seine mögliche Meinung zu achten, einfach alles um mich herum zu ignorieren, mich an Jans Brust zu lehnen, tief diesen Duft einzuatmen, der mich in letzter Zeit immer schwindelig macht, und einfach für immer so stehen zu bleiben. Aber ich bleibe sitzen, verschlucke mich stattdessen an meiner Schokolade und beginne furchtbar zu husten.
»Hey, Jan«, grüßt ihn Stephan und klopft mir dabei donnernd auf den Rücken. »Rate mal, was passiert ist!«
Jan gießt sich auch Kaffee ein und nimmt auf dem Stuhl Platz, der am weitesten von mir entfernt steht. Sein Gesicht ist seit der Sekunde, in der er mich entdeckt hat, total verschlossen. Jetzt hebt er die Schultern. »Verrat es mir.«
»Du darfst Vicky jetzt Papergirl nennen. Und zwar offiziell!«
»Wie?« Jan runzelt die Stirn und versucht, Stephan zu folgen.
»Erzähl’s ihm doch selbst!«, fordert mich mein Kumpel auf. Na super, danke vielmals!
»Ich hab die Möglichkeit, als feste Kolumnistin bei der Stunning Looks anzufangen«, murmele ich in Jans Richtung und knibbele betreten am Schokoladenpapier herum.
Für einen kurzen Moment hellt sich seine Miene deutlich auf, ein schnelles Lächeln huscht über sein Gesicht, dann scheint er sich jedoch wieder an die eingefahrene Situation zwischen uns zu erinnern und kehrt zu dem verschlossenen Gesichtsausdruck zurück. »Echt? Ist ja klasse, freut mich für dich!«
Ich weiß, dass es stimmt, was er sagt, denn ich kenne ihn jetzt schon so lange, und dieser Anflug von Gefühl eben hat Bände gesprochen. »Danke.«
»Aber warum hast du nur die Möglichkeit ? Hast du etwa nicht zugesagt?«, fragt Jan dann plötzlich erstaunt.
Ich schüttele den Kopf. »Noch nicht.«
»Aber morgen meldet sie sich bei denen und nimmt das Angebot an«, erklärt Stephan überzeugt.
»Das habe ich noch gar nicht gesagt!«, empöre ich mich.
»Das musst du auch nicht. Aber wenn du den Job nicht annimmst, verweise ich dich der Wohnung«, kontert er. Jetzt muss ich wider Willen grinsen.
»Du wärst schön blöd, wenn du solch ein Angebot ausschlagen würdest«, mischt sich Jan wieder ein. »Sicher, der Zickenterror ist schrecklich und auch, dass du nie weißt, woran du bist. Und dann noch dieses Biest von Chefredakteurin …« Wow, Jan spricht genau meine Gedanken aus! »Aber du wirst ja vermutlich von zu Hause aus arbeiten können und die paarmal, die du in die Redaktion musst … Pfeif doch einfach drauf!«
»Genauso sehe ich das auch«, stimmt Stephan zufrieden zu und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
»Ja, ihr habt wohl recht«, seufze ich ergeben und ertappe mich dabei, gerade ein paar Augenblicke zu lang Jan gedankenverloren angestarrt zu haben. Erst als ich bemerke, wie er und Stephan sich einen verwunderten Blick zuwerfen, komme ich wieder zu mir und räuspere mich verschämt. »Dann bin ich also ab jetzt offiziell Papergirl .«
Was fühlt ein Schmetterling im Bauch, wenn er verliebt ist?
Wir sitzen im Zug. Wir, das sind die Jungs-WG, Nina, Tilda,
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