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Kannst du mir verzeihen

Kannst du mir verzeihen

Titel: Kannst du mir verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Morgen aufwachte, lag Nancy auf ihrem Kopfkissen. Sie hatte den warmen, weichen Bauch an Hannys Wange gedrückt und gab für ein so zartes Wesen erstaunlich laute Schnarchgeräusche von sich.
    Unwillkürlich musste Hanny lächeln. Sie schloss die Augen, lauschte der tiefen, regelmäßigen Atmung des Welpen und dachte an Sid.
    Sie hatten ihn aus purer Ironie Sid Vicious genannt, denn er war der sanftmütigste, liebste, fröhlichste Hund der Welt. Zwei Jahre war er alt gewesen, als sie ihn bekamen, ein junger Terriermischling, den man halb verhungert auf irgendeiner Müllkippe gefunden und ins Tierheim gebracht hatte.
    Von dort war er zu Hanny und Bastian gekommen.
    Er brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, dass er dort in guten Händen war und bei ihnen bleiben durfte. Für immer. Dass er ein Zuhause hatte. Aber als er das dann erst mal verstanden hatte, war er nicht mehr von Hannys Seite gewichen.
    Er hatte sich zu so was wie ihrem dritten Bein entwickelt. Wann immer sie hinuntersah – er war da. Rechtes Bein, linkes Bein, Sid.
    Als er dann weg war, fiel ihr alles schwerer. Sie musste lernen, wieder nur mit zwei Beinen durch die Welt zu gehen.
    Zum ersten Mal hatte sie damals Bastian zurückgewiesen. Seine und ihre Trauer waren einfach zu viel gewesen. Aber manchmal ist der Moment, in dem man einen geliebten Menschen zurückweist, genau der Moment, in dem man diesen Menschen am allermeisten braucht.
    Das wusste er doch?
    Und doch hatte er sie so im Stich gelassen.
    Hanny wollte diesen Gedanken abschütteln und öffnete schnell die Augen.
    Sie blickte direkt in ein weiteres Paar Augen. Große, kohlschwarze Augen. Sofort wurde ihr ein klein wenig warm ums Herz. Nancy hatte sich noch ein bisschen dichter an sie gekuschelt.
    Hanny strich Nancy über den weichen Bauch, worauf der kleine Schwanz heftig anfing zu wedeln.
    Aus dem Hundeblick sprach bereits sklavische Liebe.
    Â»Du kannst nichts dafür, dass er ein Dreckskerl ist«, flüsterte Hanny ihrem neuen Schützling zu. »Das hier ist dein neues Zuhause. Herzlich willkommen.«
    Draußen schien die Sonne.
    Hanny stand auf und stellte auf denkbar unangenehme Weise fest, dass Nancy in der Nacht mal gemusst und statt auf die strategisch im Zimmer verteilten Zeitungen in Hannys neue Hausschuhe gepinkelt hatte. In die Hausschuhe, die Bastian ihr nur wenige Tage vor der verhängnisvollen Nacht geschenkt hatte, weil sie immer so kalte Füße hatte.
    Das war sehr aufmerksam von ihm gewesen. Erstaunlich aufmerksam für jemanden, der mit seinen Gedanken eigentlich schon längst bei einer anderen war. Seit jener Nacht hatte sie die Hausschuhe natürlich nicht mehr getragen, aber just an diesem Morgen wollte es das Schicksal, dass sie ihre Wut vergaß und, ohne nachzudenken, hineinschlüpfte ...
    Angewidert musste sie nun feststellen, dass das Lammfell triefend nass war.
    Hanny sah das Hündchen an – und lächelte.
    Â»Da hätte ich ja auch mal selbst draufkommen können.« Nancy wedelte begeistert mit dem Schwanz, weil ihr neues Frauchen offenkundig so zufrieden mit ihr war.
    Auf Händen und Knien krabbelte Hanny ins Badezimmer, um den Teppich zu schonen. Nancy hielt das für ein neues Spiel und sprang entzückt vor ihr herum, bellte, lief hinter sie, beschnupperte die gespreizten, feuchten Zehen, verzog die Schnauze, lief wieder an Hannys vorderes Ende und schleckte ihr übers Gesicht.
    Hannys konnte nicht anders, als über diese Situation zu lachen, und freute sich auf eine ausgiebige Dusche.
    Als sie aus der Kabine kam, hatte Nancy vor lauter Begeisterung über Hannys Zufriedenheit mit der Hausschuh-Pinkel-Aktion gleich auch noch auf den Badezimmerboden gemacht.
    Hanny wischte alles auf, hob mit spitzen Fingern die besudelten Hausschuhe an einer trockenen Ecke an und überlegte, wie sie sich ihrer entledigen könnte. In Ermangelung einer besseren Idee warf sie sie kurzerhand aus dem Fenster.
    Da ertönte von unten ein empörtes Kreischen, gefolgt von einer quietschenden Schimpftirade.
    Â»Was ist denn das bitte für ein Empfang? Werde ich hier gerade mit Schuhen beworfen? Hallo? Iiihgitt, die stinken ja! Iih, ist das etwa Pisse? Hallo-o? Hanny, ist das Pisse? Warum tust du mir das an? Warum bewirfst du mich mit bepinkelten Schuhen?«
    Es war Jai.
    Er hatte zwar angekündigt zu kommen, aber sie staunte dennoch nicht schlecht, dass er tatsächlich da

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