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Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Titel: Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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stellte geistesabwesend fest, dass ihr langes blondes Haar wieder einen Zopf bildete, der vorn zwischen ihren Brüsten ruhte, so wie an jenem Abend in der Therme, vor fast fünf Jahren.
    »Du hast Norene getötet? Eine Großmeisterin ?«
    »Sie wollte mich umbringen.« Dominik schauderte. »Etwas in mir ist ihr zuvorgekommen. Zieh dich um, Loa. Bitte. Wir müssen uns sofort auf den Weg machen.«
    Sie sah ihn groß an. »Ich soll hier alles aufgeben? Einfach so?«
    Dominik hatte nicht damit gerechnet, dass Loana irgendwelche Einwände erhob. »Norene hat Anweisung gegeben, dich fortbringen zu lassen. Morgen. Dich erwartet eine Tal-Telassi-Kolonie auf einem anderen Planeten.« Worte waren grässlich umständlich. Dominik fasste die wichtigsten Ereignisse zusammen und projizierte sie mit einem Delm-Gedanken. Loana riss die Augen auf.
    »Dies ist der Augenblick der Entscheidung«, drängte Dominik. »Entweder trennen sich hier unsere Wege, oder sie führen in eine gemeinsame Zukunft. Wenn ich allein fliehe, sehen wir uns vermutlich nie wieder. Du musst entscheiden, was dir wichtiger ist: deine Zukunft als Tal-Telassi ohne Gefühle und ohne mich, oder ein Leben mit deinen Emotionen und mir, ein vollständiges, komplettes Leben, ohne Verzicht auf das Tal-Telas.«
    »Und wenn ich mich gegen dich entscheide?«, fragte Loana. »Manipulierst du mich dann so wie eben Melinda und Ekortina? Zwingst du mich dann, dich zu begleiten?«
    »Niemals, niemals würde ich dich zu irgendetwas zwingen, Loa, bitte glaub mir«, sagte Dominik mit Nachdruck.
    Loana sah ihm tief in die Augen, und einige weitere kostbare Sekunden verstrichen. Dann seufzte sie leise und eilte los, um sich umzuziehen.
     
     
    Der Hangar, den Dominik und Loana kurze Zeit später erreichten, enthielt nur eine kleine Transportkapsel, die wie die Leviplattformen vor allem für Flüge in der näheren Umgebung bestimmt war. Für Reisen zu der mehr als fünfhundert Kilometer entfernten Hauptstadt Endiria verwendeten die Tal-Telassi üblicherweise kleine Shuttles.
    Dominik öffnete die Luke. »Hier drin ist nicht viel Platz, aber wir haben keine Wahl.«
    Er ließ Loana zuerst einsteigen, folgte ihr dann und zwängte sich neben sie. Für jemanden, der an Klaustrophobie litt, musste eine solche Kapsel albtraumhaft sein.
    Loana, die inzwischen eine Art Overall mit vielen Taschen trug, rückte so weit wie möglich zur Seite, damit Dominik die Kontrollen erreichen konnte. Er aktivierte das Levitationsfeld, öffnete das Hangarschott und steuerte die Kapsel hinaus, in die Düsternis eines früh zu Ende gehenden Tages – im hohen Norden von Kyrna machte der Winter die Nächte lang. Starke Windböen zerrten an der kleinen Transportkapsel, und Dominik hatte alle Hände voll mit der Navigation zu tun, bis er die Kontrollen für die automatischen Stabilisatoren fand. Er fragte sich, wie viel Zeit seit Norenes Tod vergangen war. Nicht mehr als zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten. Es fühlte sich viel länger an.
    »Erzähl mir, was geschehen ist«, sagte Loana, als die Lichter von Tarion hinter ihnen in der Dunkelheit verschwanden. Durch das Bugfenster war zu sehen, wie die von den Scheinwerfern der Kapsel ausgehenden Lichtfinger erst über Schnee und Eis strichen und dann durch Leere tasteten, als das kleine Gefährt aufstieg. Die Sterne blieben hinter dichten Wolken am Himmel verborgen. »Erzähl mir den Rest, Domi.«
    Dominik schilderte die Geschehnisse und seinen mentalen Kontakt mit Norene, benutzte dabei Worte, die ihm plötzlich primitiv und auf geradezu absurde Weise unzureichend erschienen. Die wortlose telepathische Kommunikation mit Konzepten und Symbolketten übermittelte weitaus mehr Informationen in viel kürzerer Zeit, fand er – und stellte fest, dass dieser Gedanke eigentlich nicht von ihm selbst stammte, sondern von dem Fremden, das seinen Kopf mit ihm teilte.
    In seinem Gesicht schien sich etwas gezeigt zu haben, denn Loana fragte: »Was ist mit dir?«
    »Ich bin nicht mehr allein hier drin«, sagte er und klopfte an seine Stirn. »Vergangene Nacht im botanischen Garten ist etwas in mir erwacht, etwas, das stark genug war, Norene zu überwältigen. Dieses Etwas war es auch, das sie getötet hat.«
    Loana musterte ihn besorgt. »Domi, das klingt fast nach ›Stimmen hören‹ und dergleichen …«
    »Schizophrenie oder so?« Dominik schnitt eine Grimasse, während er in die Nacht blickte. Schneeflocken tanzten im Scheinwerferlicht der Kapsel, und der Wind wurde

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