Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
sich hier längere Zeit aufhält, gewöhnt sich daran – das ist mit den Wurzeln gemeint. In den anderen Dominien existiert diese energetische Durchdringung nicht, oder zumindest nicht in dieser Form, und deshalb müssen die Residenten nach spätestens einigen Wochen zurück. Bleiben sie länger fort, so stirbt ein Teil von ihnen, tief in ihrem Innern. Sie verlieren die Lebensfreude, werden depressiv und apathisch. Herz und Seele ›verdorren‹.«
Dominique vermutete etwas und öffnete ihre Sinne der schwachen Verbindung zum Tal-Telas. Da war sie wieder, die seltsame, starke Kraft hinter dem Tal-Telas. Myra hatte sie Flix genannt. Sie stand Dominique nicht so zur Verfügung wie das Tal-Telas in der linearen Zeit, aber wenn sie die mentalen Hände danach ausstreckte, konnte sie sie berühren und fühlte ein … angenehmes Prickeln. War es diese Kraft, die die Ressourcenmacher und alle anderen Macher nutzten? Konnte Dominique lernen, sie sich zu erschließen und sie gewissermaßen als einen Ersatz für das Tal-Telas zu verwenden?
Ein kleiner Schemen huschte heran, sauste an Tarweder hoch und verschwand mit einem Gurren in seinem Rucksack. Eine Sekunde später sah Kiwitt heraus und gurrte erneut.
Dominique hörte ein Pfeifen, das aus einer der anderen Tunnelöffnungen kam. Der klapprige Zug, der sie bis hierhergebracht hatte, war längst wieder im subplanetaren Röhrensystem verschwunden.
»Komm, junge Dame«, sagte Tarweder. »Die Reise geht weiter.«
Dominique sah noch einmal nach oben und ließ den Blick über die hohen Terrassen der toten Stadt streichen. Der Wind war etwas stärker geworden, sein Flüstern lauter. Nichts regte sich, aber Dominique hatte das seltsame Gefühl, beobachtet zu werden.
»Hast du dort Wurzeln geschlagen?«, fragte der Alte und lachte über das eigene Wortspiel.
Dominique folgte ihm in einen der Tunnel, und erst nach mehr als zehn Schritten, als Tag und Stadt hinter ihr zurückblieben, verschwand der imaginäre Druck aus ihrem Rücken, verursacht vom Blick eines Unbekannten. Ein leerer Bahnsteig erstreckte sich vor ihnen, erhellt von einigen ovalen Lampen an den Wänden und in mehrere Nischen unterteilt. Tarweder führte sie zur Mitte und deutete zum näher kommenden Licht. »Dieser Zug bringt uns nach Urhanna. Heute Abend lernst du Davvon kennen, Dominique.«
Sie sah auf den ersten Blick, dass es sich um einen wesentlich moderneren Zug handelte. Die aerodynamische Form der grauen Zugmaschine ließ vermuten, dass sie zu hohen Geschwindigkeiten fähig war, und sie schien in einem guten Zustand zu sein. Dominique beobachtete sie, als sie am Bahnsteig vorbeiglitt, mit dem ihr bereits vertraut gewordenen Summen eines Korit-Triebwerks. Die Waggons waren sauber und wiesen überhaupt keine Rostflecken auf. Als der Zug anhielt, öffneten sich mit einem hydraulischen Surren die Türen, und Tarweder stieg sofort ein.
Die Abteile im Innern des Zuges waren keineswegs leer. Menschen saßen in frei schwenkbaren Sesseln oder lagen in Ruhemulden, Männer und Frauen aller Altersgruppen, aber keine Kinder. Dominique sah unterschiedliche Male, die meisten in Form von Hauptlappen oder Streifen im Gesicht, und sie begegnete so manchem neugierigem Blick. Das Fehlen von Malen bei ihr brachte sie mit den Dominanten in Verbindung.
Der Zug hatte sich schon wieder in Bewegung gesetzt und glitt durch einen dunklen Tunnel, als sie schließlich ein leeres Abteil fanden und darin Platz nahmen. Beim Weg durch die Waggons, vorbei an den anderen Passagieren, war Dominique immer müder geworden, und jetzt hatte sie das Gefühl, seit Tagen nicht geschlafen zu haben. Dies war nicht der Schlaf , sondern jene Art von Erschöpfung, die Rupert heimgesucht hatte. Selbst das Denken fiel ihr schwer.
»Schlaf ruhig«, sagte Tarweder, der ihre Müdigkeit sah. »Ich passe auf dich auf.«
Dominiques Augen schlossen sich, und sie schlief.
Feuer brannte und war überall. Hohe Flammen loderten, auf der Suche nach ihr. Dominique beobachtete sie aus ihrem Versteck in den Ruinen eines tempelartigen Gebäudes, das einen nicht mehr funktionierenden Brunnen enthielt. Neben der steinernen Einfassung mit den Kantaki-Symbolen lagen drei alte Skelette, halb von Sand und Staub bedeckt, und sie wusste, dass eins davon ihr eigenes war. Die anderen Knochen stammten von Myra und Tarweder.
Das Feuer, das außerhalb der Ruine nach ihr suchte … Sie hatte weniger Angst davor und fühlte sich versucht, ihr Versteck zu verlassen, sich
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