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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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weitergegangen, und sie ist nach wie vor eine Geschichte von Konflikten. Unser Verhältnis zu Russland ist wieder schlechter geworden, und es wird weltweit auch wieder aufgerüstet, vor allem, um Handelswege abzusichern. Wirtschaftliche Ressourcen dienen vielfach als Machtmittel. So droht zum Beispiel Russland immer wieder mal mit der Einstellung von Öl- und Erdgaslieferungen, um andere in Schach zu halten.
    Aber auch »heiße« Kriege werden immer noch geführt, auch auf dem europäischen Kontinent. Die Balkankriege sind noch in naher Erinnerung. Für uns Deutsche war das eine eindrückliche Erfahrung, dass die netten Jugoslawen, bei denen man so gerne Urlaub machte oder daheim im Restaurant ein »Chivapchichi« bestellte, plötzlich so brutal übereinander herfielen. Der Lack der Zivilisation ist offenbar dünn, auch in Mitteleuropa.
    Und 1999 zogen Bundeswehrsoldaten im Kosovo erstmals in einen bewaffneten Auslandseinsatz. Ich war damals Parlamentskorrespondentin, als die Entscheidung für diesen Einsatz fiel, und wir fragten auf einer Pressekonferenz den damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping, was denn passieren würde, wenn ein deutscher Soldat in diesem Einsatz sterben würde. Das schien seinerzeit noch etwas Unvorstellbares zu sein. Scharping antwortete: »Dann stehen Herr Schröder und ich am Flughafen und nehmen den Sarg entgegen.« Da wurde es totenstill im Raum. Keiner sagte mehr was. Allen war mulmig zumute. Tote Bundeswehrsoldaten? Das war bis dahin nicht vorgesehen gewesen. Der »Kalte Krieg« sollte ja niemals zu einem heißen Krieg werden, und wenn, würde er vermutlich nicht mit konventionellen Waffen ausgetragen.
    Die wenigsten jungen Männer, die sich bei der Bundeswehr für ein paar Jahre »verpflichteten«, rechneten damit, tatsächlich kämpfen zu müssen. Das ist inzwischen völlig anders. Deutsche Soldaten sterben wieder, vor allem in Afghanistan. Es gibt wieder deutsche Kriegswitwen und schwer Traumatisierte, die zurückkehren und die Bilder nicht vergessen können, die sie im Kopf haben, von schreienden sterbenden Kameraden oder zerfetzten Leichen. Der Großteil der deutschen Gesellschaft möchte das eigentlich lieber gar nicht wissen. Auf die eigene Armee stolz zu sein, ist uns nach dem Zweiten Weltkrieg gründlich ausgetrieben wurden, aus wahrlich guten Gründen. Die nun vorherrschende tiefe Abneigung gegen alles Militärische führt aber auch dazu, dass wir »unsere« Männer und Frauen in Uniform ziemlich allein lassen mit ihrem Job und dem Horror, der damit einhergehen kann.
    Der jüngste zwischenstaatliche Krieg, der quasi direkt vor unserer Haustür lag, brach im August 2008 in Georgien aus. Georgien liegt zwar nicht in Europa, sondern in Vorderasien, aber direkt hinter der Türkei. So weit weg ist das also nicht. Formal ging es um die Unabhängigkeit der Regionen Südossetien und Abchasien. Beides sind Regionen, die zu Georgien gehören, so wie Bayern oder Hessen Regionen sind, die zu Deutschland gehören. Der Unterschied ist allerdings, dass sich Bayern und Hessen selbstverständlich deutsch fühlen. Die Südosseten und die Abchasier fühlen sich mehrheitlich aber keineswegs georgisch und wollen auch gar nicht zu Georgien gehören, sondern lieber selbstständig sein. Unterstützt wurden sie dabei immer schon von Russland. Nicht weil die russische Regierung so ein wahnsinnig großes Herz für die Südosseten hat, sondern weil sie ewig schon im Streit liegt mit Georgien. Die georgische Regierung behauptete nun, die Bürger in den beiden Provinzen hätten sich vom Mutterland abspalten wollen. Außerdem hätten Südosseten und Abchasier georgische Mitbürger, die auch in diesen Provinzen leben, aus Hass attackiert. Um das zu verhindern, schickte man Soldaten. Russland unterstützte derweil die aufständischen Südosseten und Abchasier und erkannte die Landstriche als eigenständige Staaten an. Das heizte den Konflikt weiter an.
    Die Georgier warfen den Russen vor, sie würden sich einmischen und georgische Bürger aus den Provinzen vertreiben. Die Russen wiederum hielten der georgischen Regierung vor, sie würde Südosseten schikanieren, sogar töten, und ossetische Siedlungen beschießen. Wer recht hatte, ist immer noch nicht ganz klar. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Jedenfalls fielen schließlich russische Bomben auf Georgien, und es rollten Panzer. Prompt meldete sich der amerikanische Präsident Bush zu Wort, der einen neuen Kalten Krieg mit

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