Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
und hochbegabt, steigt sie für drei Jahre ganz aus und macht danach nur noch einen Drei-Tage-Job in einer kleinen Kanzlei für Familienrecht. Was wahrlich keine Schande ist und ein sehr schönes Leben sein kann, vielleicht ist es unserer Beispieljuristin ja sogar recht so. Ökonomisch produktiv zu sein, ist auch nicht unbedingt ein Wert an sich, und Kinder können genauso viel oder sogar mehr Erfüllung bringen als der Beruf. Aber warum ist es nur sie, die zurücksteht? Vielleicht hatte sie ja sogar ein besseres Examen als ihr Mann – in jedem Fall aber liegt ihr Wissen, das sie sich jahrelang sehr engagiert erarbeitet hat, brach. Sie könnte mehr davon einbringen, wenn die Rahmenbedingungen andere wären. Eines Tages werden die niedrigen Geburtenraten und der damit über kurz oder lang einhergehende Fachkräftemangel ein radikales Umdenken in den Unternehmen vielleicht ohnehin erzwingen. Aber darauf mag man natürlich nicht warten, wenn man Gleichberechtigung als politisches Ziel postuliert, wie es eigentlich alle politischen Parteien mittlerweile tun.
»Herdprämien«, »Wegbleibprämien« und »Wahlfreiheit«
Problematisch ist, dass in der Familienpolitik gewollt oder ungewollt sehr unterschiedliche Anreize gesetzt werden. Einerseits sind Mütter heute arbeitsrechtlich viel besser geschützt. Es gibt nicht mehr nur ein paar Wochen Mutterschutz, sondern auch das Recht auf eine mehrjährige Elternzeit, in der nicht gekündigt werden darf. Das ist grundsätzlich natürlich gut so. Für Unternehmen, die nüchtern nach Kosten kalkulieren, bedeutet es aber: Frauen im gebärfähigen Alter sind ein noch größeres Risiko geworden. Gerade kleine Unternehmen können es oft nur schwer ausgleichen, wenn eine Mitarbeiterin lange aussetzt und vielleicht am Ende gar nicht wiederkommt, obwohl man ihr jahrelang den Platz frei gehalten hat. Da überlegt man lieber zweimal, bevor man eine Frau »im gebährfähigen Alter« einstellt. Die Chancen für Frauen am Arbeitsmarkt hat das nicht unbedingt verbessert. Widersprüchlich ist auch das Betreuungsgeld, auf das vor allem die CSU so viel Wert gelegt hat. Familien sollen Wahlfreiheit haben. Frauen, die sich entscheiden, nach der Geburt des Kindes zu Hause zu bleiben, sollen gegenüber berufstätigen Müttern nicht benachteiligt werden. Die berufstätigen Mütter werden vom Staat schließlich mit teuren Kita-Plätzen gefördert. An diesem Betreuungsgeld hat sich viel Kritik entzündet: Es sei eine »Herdprämie«, die Mütter vom Beruf fernhält beziehungsweise eine »Wegbleibprämie«, weil es jetzt zwar einen Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze für unter 3-Jährige gibt, aber noch viel zu wenig Kita-Plätze. Insofern ist der Staat froh über jeden, der sein Kleinkind zu Hause behält. Außerdem ist zu befürchten, dass vor allem Familien, die sehr wenig Geld haben, ihre Kinder künftig lieber zu Hause behalten, um ihr Portemonnaie aufzustocken. Gerade diese Familien sind aber oft auch »bildungsferne Haushalte«, und gerade deren Kinder sollten besser so früh wie möglich von professionellen Pädagogen gefördert werden. Ökonomen nennen das »Fehlanreize«: Das Geld löst ein Verhalten aus, das so nicht gewünscht ist.
Der größte Widerspruch liegt aber woanders. Die Regierung sagt den Frauen einerseits: Wir unterstützen euch, wenn ihr aus dem Beruf aussteigt, um euch um den Nachwuchs zu kümmern. Auf der anderen Seite hat die unionsgeführte Bundesregierung 2008 die Unterhaltsansprüche nach einer Scheidung massiv gekürzt – und setzte damit ein genau gegenteiliges Signal, nämlich: Liebe Frauen, seht zu, dass ihr euch selbst versorgen könnt, wenn der Mann weg ist. Wie passt das zur Wahlfreiheit, zu Hause zu bleiben? Das passt nur, wenn die Ehen auch ein Leben lang halten. Dem Familienbild der CSU entspricht das zwar (und der Hoffnung aller Liebenden auch), aber die Scheidungsstatistik zeigt leider eine andere Realität. Und für Frauen, die der Familie zuliebe viele Jahre aus dem Job ausgestiegen sind, ist es verdammt schwer, plötzlich wieder eine gut dotierte Stelle zu finden, wenn die Familie zerbricht. Dieser Widerspruch ist inzwischen auch der CSU aufgefallen, weshalb sie das reformierte Unterhaltsrecht zugunsten der Ehefrauen wieder (zurück-)reformieren will. Fest steht: Das größte Armutsrisiko in unserer Gesellschaft tragen Alleinerziehende. Selbst gut Ausgebildete können nach einer Trennung einen krassen finanziellen Abstieg erleben, der sie unvermittelt in
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