Kapitaen Bykow
unheilschwangere Welt.
Zur Linken erhob sich eine rotbraune Nebelwand. Sie löste sich unter ihnen, in unvorstellbarer Tiefe, allmählich in Schichten von dicken, dräuenden Wolkenfeldern auf, zwischen denen tiefschwarze Lichtungen klafften. In noch größerer Entfernung und noch größerer Tiefe verschmolzen diese Wolken zu einem festen zimtbraunen Massiv. Zur Linken breitete sich weithin rosiger Schimmer, und dort erblickte Shilin plötzlich die Sonne, einen grellrosa gleißenden kleinen Ball.
»Fangen wir an!«, sagte Bykow und hielt Shilin eine aufgewickelte dünne Trosse hin. »Befestige sie im Schacht!«
Das andere Ende schlang er sich um den Gurt. Dann hängte er sich die beiden Tester um den Hals und stieg über das Geländer.
»Die Trosse langsam fieren«, befahl er, »ich gehe los!«
Die Trosse in den Händen, trat Shilin an das Geländer und beobachtete, wie sich die dicke, plumpe Gestalt in der blinkenden Rüstung langsam auf der Wölbung der Kuppel vorwärts bewegte. Die Rüstung erglänzte im Widerschein der rosigen Dunstwand, und auf der gerippten schwarzen Kuppel lagen hier und da regungslos Bahnen von fahlem Rosa.
»Schneller fieren!«
Obwohl dieser Befehl durch die Funkspruchverbindung kam, hörte Shilin heraus, dass Bykow unzufrieden war.
Die Gestalt in der Rüstung verschwand, und auf der gerippten Fläche wippte nur noch die straffgespannte blinkende Trosse. Shilin betrachtete die Sonne. Manchmal ließ der rötliche Ball Nebel aufziehen, dann blendete er noch mehr und wurde ganz rot. Als Shilin vor sich hin auf die Plattform sah, erblickte er seinen verschwommenen, rosafarbenen Schatten.
»Sieh mal, Iwan!«, hörte er Bykow sagen. »Nach unten, sieh mal nach unten!«
Shilin spähte in die Tiefe. Aus dem zimtbraunen Massiv wuchs gespenstisch, wie ein ungeheurer Giftpilz, ein riesiger weißer Hügel. Langsam schwoll er in die Breite, und man konnte auf seiner Oberfläche ein unaufhörlich fließendes Muster erkennen, das wie ein Knäuel sich windender Schlangen aussah.
»Eine exosphärische Protuberanz«, sagte Bykow. »Eine sehr seltene Erscheinung, glaube ich. Verdammt, das müssten wir den Jungs zeigen!« Damit meinte er die Planetologen.
Der bauchige Hügel erstrahlte plötzlich von innen her in vibrierendem fliederfarbenem Licht.
»Toll!«, entfuhr es Shilin.
»Fieren!«, mahnte Bykow.
Ohne den Blick von der Protuberanz zu wenden, fierte Shilin die dünne Trosse. Anfangs hatte er den Eindruck, die Tachmasib fliege geradewegs auf die Protuberanz zu. Aber dann erkannte er, dass das Schiff in großer Entfernung links an ihr vorüberfliegen würde. Die Protuberanz löste sich von dem zimtbraunen Massiv und segelte mit einem scheinbar klebrigen Schwanz gelber Fäden in das weithin prangende Rosa hinein. In den Fäden erstrahlte noch einmal kurz das fliederfarbene Licht, und – die Protuberanz zerschmolz in dem rosafarbenen Meer.
Bykow arbeitete lange. Zwischendurch kam er mehrmals zu der Plattform herauf und ruhte sich ein wenig aus. Wenn er wieder hinunterging, schlug er jedes Mal eine andere Richtung ein. Als er zum drittenmal zur Plattform kam, hatte er nur noch einen Tester bei sich. Den anderen habe er verloren, erklärte er kurz.
Ein Bein gegen das Geländer gestemmt, fierte Shilin geduldig die Trosse. In dieser Stellung fühlte er sich sicher und konnte nach allen Seiten Ausschau halten. Doch er entdeckte keine weiteren Veränderungen. Erst als der Kommandant das sechste Mal zur Plattform kam und »Schluss, gehen wir!« brummelte, fiel Shilin plötzlich auf, dass die rotbraune Nebelwand zur Linken, die Wolkenoberfläche des Jupiters, merklich näher gerückt war.
Die Steuerzentrale war aufgeräumt. Michail Antonowitsch hatte die Splitter zusammengefegt und saß, die Pelzweste über der Kombination, auf seinem gewohnten Platz. Aus seinem Mund stiegen Dampfwolken auf – es war kalt in der Steuerzentrale. Bykow setzte sich in einen Sessel, rieb sich die Knie und blickte den Navigator, dann Shilin unverwandt an. Die beiden warteten.
»Hast du die Lecks abgedichtet?«, fragte Bykow den Navigator.
Michail Antonowitsch nickte mehrmals.
»Es gibt eine Chance«, sagte Bykow.
Michail Antonowitsch richtete sich auf, und man hörte ihn tief einatmen. Shilin schluckte heftig vor Erregung.
»Es gibt eine Chance«, wiederholte Bykow. »Aber sie ist sehr gering. Ganz und gar phantastisch.«
»Nun red schon, Aljoschenka!«, bat der Navigator leise.
»Ihr werdet’s gleich erfahren
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