Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
Vom Netzwerk:
zusammen, dass die Kiefergelenke knackten. Leb wohl, Sonne, dachte er, leb wohl!
    »Ich will was essen«, verkündete Dauge unwirsch. »Kommen Sie, wir gehen in die Kombüse, Charles!«
    Geschickt stieß er sich von der Wand ab, schwebte zur Tür und öffnete sie. Mollard stieß sich ebenfalls ab, schwebte aber mit dem Kopf gegen den Türrahmen. Dauge zog ihn an der Hand in den Korridor. Jurkowski hörte noch, wie Dauge fragte: »Na, wie geht’s, gu-ud?« – Mollard antwortete: »Gu-ud, aber so ist sehr unbequem.« – »Halb so schlimm«, erwiderte Dauge forsch. »Sie werden sich bald daran gewöhnen.«
    Alles halb so schlimm, dachte Jurkowski, bald ist alles aus. Er blickte durchs Periskop, sah, wie sich der braune Nebel oben, dort, woher das Raumschiff gekommen war, verdichtete und unten aus unergründlichen Tiefen, aus dem unermesslich tiefen Wasserstoffabgrund, ein seltsamer rosiger Lichtschimmer zu dämmern begann. Jurkowski schloss die Augen. Leben, dachte er, lange leben, ewig leben ... Er fuhr sich mit beiden Händen in die Haare und kniff die Augen fest zusammen. Erblinden, taub werden und stumm, nur – leben, Sonne und Wind auf der Haut spüren und einen Freund an der Seite. – Schmerz, Ohnmacht, Trauer. Wie jetzt. Ach ... Heftig raufte er sich die Haare. Mag es getrost so bleiben wie jetzt, aber ewig. Plötzlich hörte er sich laut schniefen und besann sich. Wie weggeblasen waren das unerträgliche lähmende Entsetzen und die Verzweiflung. So ähnlich war es ihm schon mehrmals ergangen, vor zwölf Jahren auf dem Mars, vor zehn Jahren auf der Golkonda und vor zwei Jahren wieder auf dem Mars. Ein dumpfes, jäh aufwallendes Verlangen, so alt wie das Protoplasma selber, das Verlangen, ganz einfach zu leben. Wie eine kurze Ohnmacht befiel es ihn. Aber das vergeht. Wie einen Schmerz muss man das ertragen und sich vor allem sofort mit etwas beschäftigen. Ljoschka hat angeordnet, die Abschussvorrichtungen für die Sonden abzudichten. Er nahm die Hände vom Gesicht, schlug die Augen auf und sah, dass er auf dem Fußboden saß. Der Sturz der Tachmasib war abgefangen, die Gegenstände bekamen wieder Gewicht.
    Jurkowski reckte sich zu dem kleinen Pult vor und dichtete die Mündungen der Abschussvorrichtungen ab, diese »Schießscharten« in der robusten Außenhaut der Wohngondel, in die die Rezeptoren der Geräte eingesetzt werden. Dann dichtete er sorgfältig den Verschluss des Bombenwurfgeräts ab, las die umherliegenden Ladestreifen der Sonden auf und legte sie ordentlich ins Regal. Er warf einen Blick durchs Periskop und hatte den Eindruck – aber es war anscheinend wirklich so –, dass sich die Finsternis oben verdichtete und das rosige Leuchten unten verstärkte. Ihm fiel ein, dass außer Serjosha Petruschewski – Ehre seinem Andenken! –, der aber wahrscheinlich schon eher explodiert war, bisher noch kein Mensch so dicht an den Jupiter herangekommen war; bei Petruschewski war ebenfalls der Reflektor geborsten.
    Jurkowski verließ das Observatorium und begab sich zur Messe. Unterwegs warf er einen Blick in alle Kajüten. Die Tachmasib sank immer noch, allerdings von Minute zu Minute langsamer. Jurkowski ging deshalb wie unter Wasser auf Zehenspitzen, balancierte mit den Armen rudernd und vollführte trotzdem von Zeit zu Zeit gegen seinen Willen kleine Sprünge.
    Plötzlich hallte durch den menschenleeren Korridor ein gedämpfter freudiger Ausruf Mollards. »Wie ist Leben, Grégoire, gu-ud?« Anscheinend war es Dauge gelungen, dem Funkoptiker wieder zu seiner gewohnten Stimmung zu verhelfen. Grégoires Antwort konnte Jurkowski nicht verstehen. »Gu-ud!«, murmelte er vor sich hin und merkte gar nicht, dass er nicht mehr stotterte. Ja, so etwas ist gut.
    Er lugte in Michail Antonowitschs Kajüte. Darin war es dunkel, und es roch seltsam würzig. Jurkowski trat ein und schaltete das Licht ein. Mitten in der Kajüte lag ein Koffer, dessen Inhalt um und um gewühlt war. Noch nie hatte Jurkowski so ein Durcheinander in einem Koffer zu Gesicht bekommen. So kann ein Koffer eigentlich nur aussehen, wenn eine Sondenbombe in ihm detoniert ist. Die gepolsterte Decke und die Wände der Kajüte waren mit braunen, anscheinend glitschigen Klecksen bespritzt. Sie strömten diesen appetitlichen würzigen Geruch aus. Mollusken in Gewürzaufguss, stellte Jurkowski sofort fest. Die aß er sehr gern, aber zu seinem Leidwesen waren sie zur Verpflegung der Interplanetarier nicht zugelassen. Er sah sich um und entdeckte über

Weitere Kostenlose Bücher